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Der Begriff Hirtenhunde


Kaukasin Leika
Foto: Hartmut Deckert

Was ist eigentlich ein Hirtenhund? Angeblich eine Bezeichnung, die nur Verwirrung anstiftet, sagen wenigstens eine ganze Reihe von "Experten" und Autoren, die wir dann allerdings nicht ganz für voll nehmen. Daher wollen wir erst mal darstellen, worum es eigentlich geht, denn es werden in der einschlägigen Literatur solche Begriffe wie Bauernhunde, Hütehunde, Hirtenhunde, Treibhunde, Schäferhunde, Herdenschutzhunde (und deren Original-Englisch-Amerikanische Varianten) benutzt .

Teilweise sind die Begriffe schon sehr alt und ein auch ein bisschen altmodisch geworden. Auch die Bezeichnung Bauernhunde ist so ein "altmodischer" Begriff, der für Hirtenhunde falsch ist, denn die europäischen Bauerhunde, auch im deutschsprachigen Raum, haben mit Hirtenhunden nicht viel, oder gar nichts zu tun. Zu ihnen zählt man z. B. den Berner Sennenhund.

Daher unterteilt man in Hirten- und Hütehunde bei den Rassen, die an den Viehherden arbeiten (Schafe, Ziegen, aber auch Großvieh).

Hütehunde hüten, also sie halten die Herde zusammen und treiben sie dahin, wohin sie ein Schäfer oder Hirte haben will, Abends auch in den Pferch. Sonst würden sich die Herden sinnlos verteilen und verlaufen. Außerdem wären Bauern wenig begeistert, wenn eine solche, unbeaufsichtigte Herde ihre Äcker kahl gefressen hätte. Bekannte Rassen sind Border Collie, Australian Shepherd Dog, oder auch Altdeutsche Schäferhunde, Schafpudel oder Harzer Füchse.


Deutscher Langstockhaar
Foto: Hartmut Deckert

Hirtenhunde sind wie die freiwillige Feuerwehr, sie passen auf, daß nichts passiert durch zwei- und vierbeinige "Räuber", sie beschützen also die Tiere der Schäfer. Dazu zählen z. B. Kaukasen, alle Rassen des Balkan, die Hirtenhunde der iberischen Halbinsel, aber auch die vielen Rassen und Schläge Centralasiens, usw. Daher haben wir auch nichts dagegen, wenn man von Herdenschutz spricht. Aber deswegen gibt es noch lange keine Herdenschutzhunde, denn diese Rassen haben in vielen Ursprungsländern auch noch andere Aufgaben, sie beschützen nämlich auch das bewegliche und unbewegliche Eigentum "ihrer" Menschen.

Am effektivsten ist die Arbeit an der Herde, wenn Hüte - und Hirtenhunde sich die Arbeit teilen, also die einen hüten und die anderen schützen. Oder anders ausgedrückt, ein Hirte, der beide Hundearten einsetzt, hat das bequemste Leben.


Centralasiaten
Foto: Wolfgang Siegel

Treibhunde sind aus der Mode gekommen. Darunter verstand man mal die Hunde, die den Viehhändlern beim Treiben der Tiere halfen, meistens Großvieh. In Deutschland war das mal der Rottweiler, in Italien z.B. der Cane Corso. Heute macht man das mit dem Viehtransporter und braucht keine Hunde mehr dazu.

Schäferhunde sind eigentlich das gleiche, wie ein Hütehund. So nannte man diese früher. Seit aber der Rittmeister Max v. Stephanitz Ende des 19. Jahrhunderts diese "Schäferhunde" als Diensthunde entdeckte, ist der Begriff eher eine Rassebezeichnung geworden. Als Beispiel sei der "deutsche Schäferhund" genannt. Auch die holländischen oder belgischen Hütehunde bezeichnet man als "belgische - bzw. holländische Schäferhunde" und auch diese werden immer mehr als Diensthunde eingesetzt. Vollends verwirrend wird der Gebrauch dieses Wortes, wenn man z.B. das Wort Owtscharka übersetzt mit Hund des Schäfers (oder Hirten) und daraus den kaukasischen Schäferhund macht. Richtig ist es schon, aber mindestens in Deutschland kommen eine ganze Reihe von Leuten unverständlicherweise damit nicht klar und daher brauchten sie eine neue Bezeichnung und die lautet "Herdenschutzhund".


Langstockhaar Schäferhunde
Foto: Hartmut Deckert

"Herdenschutzhund" ist ein "neudeutscher Begriff", übersetzt aus dem Englischen, falsch und eigentlich das gleiche, wie ein Hirtenhund. Aber er greift zu kurz, denn sehr viele Hirtenhunderassen beschützen nicht nur die Herden, sondern auch die Hütten in den Dörfern (z. B. in Tibet) oder das Hab und Gut der Karawanen. Deshalb können sie mehr, als in dem Wort steckt und wir benützen es nicht.

Außerdem hat das Wort Schutzhund in Deutschland keinen guten Klang, man verbindet damit Hunde, die sehr schnell zubeißen und dies auch noch durch Ausbildung lernen. Das macht man bei einem Hirtenhund nicht, oder sollte es nicht machen. Schutzhunde haben eine niedrigere Hemmschwelle, Hirtenhunde eine höhere, d. h., sie greifen später an und sind daher als Familienhunde unserer Meinung nach besser geeignet (zum Begriff "Herdenschutzhunde" siehe auch Kaukasenblättle 01/2004).

Wie kam diese Übersetzung zustande?

Die Amerikaner nennen die Hirtenhunde "livestock protection dogs" oder "sheep protection dogs", was frei übersetzt Herdenschutzhunde heißt. Auch mit der Bezeichnung "livestock guarding dogs" oder "flock guard dogs" meint man Hirtenhunde, bzw. dann Herdenschutzhunde, obwohl dieser Namen für Hütehunde treffender wäre.

Da man aber lange vor den Hirtenhunden (Herdenschutzhunden) in diesem Raum bereits Hütehunde kannte, tragen diese Bezeichnungen wie sheep dogs oder sheep herding dogs teilweise schon in ihrem Namen (Australian Shepherd oder German Shepherd).

Dieser Name stünde aber den Hirtenhunden zu, weil Shepherd auch mit (Schaf-)hirte zu übersetzen ist. Da diese Bezeichnung aber schon bei den Hütehunden "vergeben" wurde, und sich die Amerikaner erst recht spät die Herdengebrauchseigenschaften der Hirtenhunde zunutze machten, beschränkten sie die Bezeichnung dieser Hunde auf deren "Beruf". Sie waren und sind aber viel mehr - nämlich Hirtenhunde oder Hunde der Nomaden, Schäfer und Hirten. Einige Wichtigtuer meinen jetzt, sie müssten englischer sein ,als die Amerikaner. Ergebnis, Herdenschutzhunde stehen oder standen auf der Liste gefährlicher Hunde und wir schreiben dagegen.

Zu diesem "Kuddelmuddel" bekamen wir die folgende Übersetzung, schön sauber zerlegt in die einzelnen Wörter und Begriffe:

"Hirte = herdsman, oder Schafhirte = shepherd 

hüten = to guard, guarding 

schützen = protect

Schutz = protection 

Vieh = livestock 

Herde = herd 

Herde, Schwarm, Schar = flock 

Hiermit komme ich endgültig zu dem Schluss, daß die Amis zuerst die leichten Hütehunde eingeführt haben, und denen einfach den falschen Namen gegeben haben." Und weiter heißt es: "Eigentlich hätten sie die Hütehunde guarding dogs nennen müssen. Diesen Begriff habe ich aber schon im Zusammenhang mit Hirtenhunden gelesen. 

Ein Hirtenhund wäre dann eigentlich der shepherd dog oder herdsman dog. Dieser Begriff ist aber schon für die meisten Hütehunderassen vergeben (z. B. Australian Shepherd). 

Aus dieser Misere ist dann wahrscheinlich das "Schützen" - protection  - entstanden, weil das Wort "Hirte" schon bei den Hütehunden verwendet wurde."

Die vielen Rassen der Hirtenhunde ...

... verteilen sich über Erdteile und Länder mit einer uralten Hirten- und Nomadenkultur. Um einige Länder und Kontinente haben sie einen Bogen gemacht. Das liegt daran, dass diese erst viel später entdeckt und besiedelt wurden, z. B. Australien und Amerika, oder weil der Druck durch Beutegreifer nicht vorhanden war oder weil eben eine ganz andere Viehhaltung praktiziert wurde.

Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut und so haben die Hirtenhunde eine Geschichte, die sich über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende erstreckt. Diese Geschichte mit verschiedenen Abstammungstheorien wird auch heute noch sehr oft falsch dargestellt. So sind immer noch Do-khyi oder die so genannten Molosser als Vorfahren angegeben. Dies ist ganz sicher falsch.

Auch wir haben natürlich eine "Geschichte der Hirtenhunde" anzubieten. Auf der nächsten Seite erscheint sie.