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Centralasiate
Foto Hartmut Deckert

Entstehung der Hunderassen!

Begriffe wie Rassehund oder Hunderassen sind "Erfindungen" des 19. Jahrhunderts. Bis dahin wurden Hunde rein nach ihrem Gebrauchswert benannt, oder, wenn es sich um die sogenannten Salonlöwen der vornehmen Gesellschaft handelte, als "Punzenschlecker" bezeichnet. Dazu kommt, daß niemand auf die Idee gekommen wäre, sich einen Hund nur zum Vergnügen zu halten. So gab es Jagdhunde, Hütehunde, Hirtenhunde oder Wachhunde, usw.

Der gravierende Unterschied zu unseren heutigen Rassen bestand darin, daß diese Hunde kein gleiches oder einigermaßen gleiches Erscheinungsbild hatten, sondern rein nach ihrer Arbeitsleistung beurteilt und gezüchtet wurden. Allerdings kann den Haltern und Züchtern ruhig unterstellt werden, daß sie als eines der Zuchtkriterien durchaus auch auf Schönheit achteten. Daher können wir uns heute über das besonders vielfältige Erscheinungsbild unsere Hirtenhunde freuen. Das gilt allerdings auch für die anderen "Gebrauchshunde", obwohl sie viel früher auf ein einheitliches Erscheinungsbild gezüchtet wurden.

In zahlreichen Hundebüchern, aber auch von Funktionären der Rassenhundeclubs wird immer wieder der Versuch unternommen, "ihre" Rasse mit antiken Hunden in Verbindung zu bringen. Dies ist und bleibt bis heute reine Spekulation und konnte nie wissenschaftlich nachgewiesen werden. So wundern wir uns immer, warum noch nie jemand auf die Idee kam, die so genannten Molosser als die Vorfahren der Rottweiler zu bezeichnen, statt dessen müssen diese Bilder herhalten für die Hirtenhunde.

Erst Ende des 19. Jahrhunderts begannen Züchter und Liebhaber, aber auch Geschäftsleute die Rassehundezucht zu organisieren. Das heißt nichts anderes, als eine Erfassung der Nachkommenschaft, den Aufbau eines Ausstellungswesens und einen einheitlichen Standard für die zuvor erfassten Rassen zu erstellen.

Der Engländer Charles Cruft kann daher als einer der Väter der modernen Hundezucht angesehen werden. Als Produzent von Hundefutter hatte er die so einfache wie für sein Geschäft einträgliche Idee, 1878 in Paris die erste Hundeausstellung zu veranstalten. Diese scheint recht erfolgreich gewesen zu sein, denn 1886 veranstaltete er die erste Terriershow in London. 1891 fand in einem Londoner Vorort die erste Cruft's Dog Show statt und diese Ausstellung gibt es bis auf den heutigen Tag. und sie ist immer noch die größte Ausstellung der Welt.

Geradezu logisch erscheint es daher, daß auch der erste Rassehundeclub in England entstand, 1873 der britische Kennel Club. Zahlreiche Clubs weltweit folgten.

Kehren wir noch einmal in die Zeit der "rasselosen" Hunde zurück und bleiben dabei bei den Hirtenhunden. Ihre Namen leiteten die Züchter ab von z.B. ihrer Statur. In Centralasien heißen auch heute noch bestimmte Hunde Tiger - oder Löwenhunde, weil sie eben etwas leichter wie ein Tiger aussehen, oder mit einem schwereren Körperbau mehr einem Löwen ähneln. Andere Hirten oder Nomaden bezeichneten ihre Hunde nach der Farbe. Akbash heißt Weißkopf und Karabash Schwarzkopf. Erst viel später bekam der Karabash seinen heute gebräuchlichen Namen, nämlich Kangal. Dieser leitet sich ab von der Züchterfamilie Kangal aus der Provinz Sivas. Auch heute noch züchtet die Familie Kangale.

Interessant ist in diesem Zusammenhang sicher, daß diese Begriffe mit den Türken wanderten. So finden wir den Begriff Karabash in all den Ländern, die mal unter türkischen Einfluss standen. Bekanntestes Beispiel, der Sarplaninac, der in Teilen des ehemaligen Yugoslawiens eben auch Karabash hieß wenn er einen schwarzen Kopf hatte.

Cal, Sarplaninac
Foto Sandor Barna

Als ein Beispiel der etwas verwirrenderen Art sei der Alabai genannt. So heißen in Turkmenien die centralasiatischen Owtscharka. Gemeint wurde von den Hirten zunächst einmal ein weißgrundiger Hund mit Flecken der verschiedensten Größen und Farben. Aber das war noch nicht alles, ein Alabai zu sein, hieß auch, die Hunde mussten in genau der alten Tradition gezüchtet sein, wie schon Generationen vor ihnen. Leider wird mit dem Namen neuerdings in Deutschland Schindluder getrieben. Schindluder deswegen, weil nach dem Erlass der Hundeverordnungen in den Bundesländer auch der Centralasiate in diesen Aufzählungen zu finden ist. Dies soll umgangen werden mit der Rassebezeichnung Alabai. Natürlich kommt mit diesem Namen noch ein Hauch Exotic hinzu und das wird sich bestimmt auf den Welpenpreis auswirken. Eigentlich ein Betrug, denn die Hunde, die in Deutschland als Alabai laufen, haben mit den Hunden der Turkmenen wenig zu tun, d.h., sie stammen nicht aus Turkmenistan, sondern aus Russland und haben höchstens einen oder im günstigsten Fall zwei turkmenische Vorfahren in ihren Papieren stehen. Und im übrigen kennt man den Begriff Alabai auch in anderen Ländern und Regionen Centralasiens.

Schlechtes Beispiel, die Internet Seite www.alabai.de . Vollends zur Karikatur wird der Alabai dann, wenn ein anderer Seiteninhaber seine Seite www.alabay.net nennt. Daher Finger weg von allem, was Alabai/y heißt und in Deutschland angeboten wird.

Wie wenig sich um Rassezucht geschert wurde, zeigt ein Beispiel aus Afrika. Angehörige eines Volkes hielten einen Hundetyp, der aber verschiedene Aufgaben hatte. Ein Teil unterstützte die Jäger erfolgreich bei der Affenjagd, ein anderer bewachte das Vieh, war also ein "Herdenschutzhund" und der dritte Teil bewachte das Dorf und hielt es von Raubzeug sauber.

Andere Hunderassen erhielten ihren Namen, weil sie aus einem bestimmten Gebiet stammten. Als Beispiel seien genannt der Estrela, benannt nach dem gleichnamigen Gebirge in Portugal, aber auch der Sarplaninac. Dieser Hirtenhund stammt aus dem gleichnamigen Gebirge, der Sar - Planina im Süden Yugoslawiens. Bekommen hat er diesen Namen, als sich die Erkenntnis durchsetzte, das der bis dato gebräuchliche Name "Ilyrischer Schäferhund" nicht seine Herkunft richtig wiedergab, denn das alte Illyrien erstreckte sich von Slowenien im Norden über Teile Kroatiens und Serbiens entlang der Küste bis nach Montenegro.

War das 19. Jahrhundert das Jahrhundert der "Rassenentdeckungen", so kann das 20. Jahrhundert getrost als das Jahrhundert der Spezialisierung unserer Rassehunde bezeichnet werden. Ob dies immer sinnvoll war, könnte an vielen Beispielen hinterfragt werden. Denn warum musste z.B. der Chow Chow mit anderen Hunden gekreuzt werden um daraus den Eurasier zu bekommen und andere mehr. Über Sinn oder Unsinn solcher neuer Rassen ist viel gestritten worden.

Bei Hirtenhunden ist diese Entwicklung ähnlich verlaufen. Heute unterscheiden wir bei vielen Rassen z.B. zwischen Berg - oder Steppen - bzw. Wüstentypen, zwischen Langstockhaar und Stockhaar, aber auch ein und derselbe Hund wird als andere Rasse geführt, nur weil eine Landesgrenze in der Ursprungsregion verläuft und beide Seiten etwas nationalistisch diese Rasse für sich beanspruchen.

Schlecht für die Zucht wird es bestimmt dann allerdings, wenn verschiedene Farbschläge in einem Land wie Rumänien dazu herhalten sollen, daß die hellen Hirtenhunde Rumäniens als Bukovina eine eigenständige Rasse sind, währen die grauen Schläge wie bisher unter der Bezeichnung Carpatin geführt werden.

All diese Entwicklungen sind mit Vorsicht zu genießen, denn eine immer größere Entfernung von der alten Hirten - und Nomadenkultur verändert diese Hunde gewaltig. Zwar muss dies nicht immer schädlich sein, denn in dichtbesiedelten Ländern stellt sich schon die Frage, ob dort ein Hirtenhund nicht etwas fehl am Platze ist. Aber andererseits wäre es schade, wenn in den "Ursprungsländern" immer weniger Hunde benötigt werden, wir aber in unseren Breitengraden die alten Hirtenhunde zu Familien - oder Freizeitgeräten degradieren würden. Damit geht in der Regel nämlich nicht nur viel vom eigenständigen Charakter der Hunde verloren, sondern sie verändern sich auch äußerlich sehr stark. Als Beispiele seien genannt der ungarische Kuvasz und der Pyrenäenberghund, der erste fast schon ein gelockter weißer Windhund, der andere ein unbeweglicher Koloss.

So gesehen sollte niemand mit Verachtung auf Menschen herabschauen, die in "mühevoller Arbeit" diese Hunde geschaffen haben, denn wir haben zwar keine Schafe und Ziegen, die es zu beschützen gilt, aber der Faszination eines Hirtenhunde sind schon viele der ach so rationellen Verstandesmenschen erlegen.

Eines wollen wir in dieser Beschreibung der Hirtenhunde nicht tun, nämlich uns auslassen über die angeblichen Charaktere. Das haben andere getan und dabei mitgeholfen, daß Hirtenhunde auf die Listen gefährlicher Hunde gekommen sind. Für uns ist ein Hirtenhund ein ziemlich normaler Hund, er hat seine Eigenarten, wie andere Rassen auch und über die muss informiert werden. Aber eines sind diese Hunde nicht, scharf, angriffslustig, aggressiv gegenüber anderen Hunden und ähnliches. Würde man Hirtenhunde strategisch einordnen, könnte man sie als Defensivhunde bezeichnen, die nur im äußersten Notfall von ihrer Kraft Gebrauch machen, d.h. also, ihre Reizschwelle ist besonders hoch, höher, als z.B. die der meisten Schutzhunderassen.

Marokkanischer Aidi
Foto: Dr. Gerald Krakauer


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