[zurück]


Foto: Andrea Wachsmann

Mastin Espanol -

ein imposanter, würdevoller Hirtenhund aus Spanien

Als Stammheimat des Mastin Espanol gilt die Extremadura - ein dünn besiedeltes Hochland in Westspanien. Schier endlose Brach-, Heide- und Grasflächen bieten hier von alters her idealen Lebensraum für große Schaf- und Ziegenherden. Die Wanderhirten zogen mit ihren Herden im Frühjahr in die Extremadura und verbrachten dort die heißen, trockenen Sommer. Im Herbst zogen sie zurück in die Ebenen. Auf ihren zwei bis drei Monate dauernden Wanderungen wurden sie von großen, starken und wehrhaften Hirtenhunden begleitet, die in dieser menschenfernen Gegend, in der es bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Wölfen wimmelte, eine Überlebensnotwendigkeit darstellten. Über Jahrhunderte hinweg hätte es sicher kein Hirte gewagt, diese Region ohne Begleitung seiner Hirtenhunde zu durchqueren. Die Wanderungen führten über Entfernungen von bis zu 850 Kilometern. Bei einer Zählung des Jahres 1526 waren daran 3.453.168 Schafe, annähernd 40.000 Hirten und rund 18.000 Mastínes sowie ungezählte Hütehunde beteiligt.

Die Wanderschäferei hat in Spanien eine lange Tradition, wird sie doch bereits in einem Gesetz des Gotenkönigs Enrico aus dem 6. Jahrhundert erwähnt. Im 13. Jahrhundert gründeten die mit der Schafzucht befassten Laienorden in Kastilien eine Interessengemeinschaft, die sogenannte Mesta (mechta). Deren Aufgabe war es, die Rechte der Wanderschäfer gegen die Interessen der sesshaften Bauern zu vertreten. Damit die Millionen von Merinoschafen von ihren Winterweiden unweit der Mittelmeerküste im Frühsommer ungehindert auf die saftig-grünen Hügel Altkastiliens und Kantabriens geführt werden konnten, erhielt die Wanderschäferei besondere Rechte. Auf den per königlichem Erlass geschützten, etliche hundert Meter breiten und seitlich von hüfthohen Steinmauern gesäumten Wegen, den "Canadas reales", durfte unter Androhung von Strafen weder gebaut, geackert noch gejagt werden. Die Herden zogen auf fest fixierten Wanderrouten, den "foramontanos", von Weideplatz zu Weideplatz und benutzten dabei uralte, teils schon von den Kelten und Iberern markierte, Wanderpfade.

Eines Tages werde ich auch mal groß
Foto: Andrea Wachsmann

Regional verschiedene Schläge

Von der Antike bis in jüngste Zeit züchtete man diese Hunde nach reinem Gebrauchswert - mit der logischen Folge, dass dadurch eine Vielzahl regional unterschiedlicher Schläge entstand. Bereits im Jahr 1913 hatte der Marquis de Montesa versucht, Ordnung in die Typenvielfalt zu bringen. Er unterschied - nach dem Herkunftsgebiet - zwischen dem Mastin der Pyrenäen, dem Mastin von Léon und dem Mastin von Navarra, den er seinerseits in den Mastin von Arragonien und den Mastin von Katalonien unterteilte.

Erste schriftliche Erwähnungen

Die Existenz großer und schwerer Hirtenhunde in Spanien ist bereits aus dem Altertum belegt. Im 12. und 13. Jahrhundert tauchen Hunde vom Typ des Iberischen Mastiffs als Abbildungen auf Kapitellen romanischer Kirchen auf. Erst im 14. Jahrhundert finden wir erneut schriftliche Zeugnisse. Spätestens seit dem späten Mittelalter waren diese Hunde in drei Einsatzbereichen tätig: in ihrer klassischen Rolle als Beschützer der Herden bei den Hirten sowie als Wachhunde und Jagdgehilfen bei den Mitgliedern des Landadels. Eine sehr ausführliche und detaillierte Beschreibung des Exterieurs des Mastin Espanol liefert Alonso de Herrera in seiner im Jahr 1740 in Madrid erschienen "Agricultura General".

Beginn der Erfassung und Rassereinzucht

Erst mit Einsatz des 20. Jahrhunderts und Beginn der modernen Kynologie begann man allmählich, die verschiedenen Schläge zu einer Rasse zusammen zu fassen, was bei der Heterogenität der einzelnen Typen kein leichtes Unterfangen darstellte. Jahrzehntelang gingen die Ansichten hinsichtlich des typischen Aussehens des Mastin Espanol hin und her. Die Dissenz zwischen den spanischen Rasseenthusiasten war so groß, dass sich die verschiedenen Lager untereinander erbittert bekriegten. Der im Jahr 1946 erstellte erste verbindliche Rassestandard favorisierte einen relativ leicht gebauten Typ des Mastin Espanol, wie er vor allem in der Region um Toledo vorherrschte, aber wohl eher einen stark durch Podenco - Einkreuzungen geprägten Schlag darstellte. Eine spezielle Förderung erhielt der Mastin Espanol damals noch nicht. Bis in die späten siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein blieb er, von der offiziellen Kynologie unbeachtet, ein Stiefkind im eigenen Land.

Die Situation änderte sich erst mit Gründung der Asociacion Espanol del Perro Mastin Espanol (AEPME) im Jahr 1981. Dieser Verband setzte sich den Erhalt des alten, typischen Mastin Espanol mit schwerem Körperbau zum Ziel. Bereits ein Jahr nach der Gründung veröffentlichte man einen neuen, noch heute gültigen, Zuchtstandard. Sämtliche Zuchtrichter mussten sich fortan einer Ausbildung unterziehen, um die Gefahr eines Rückfalls in die alten Streitigkeiten von vornherein zu verhindern. Vereinsmitglieder durchstreiften die Extremadura, um Hunde ausfindig zu machen, die dem neuen Ideal des schweren, massigen Mastin Espanol entsprachen. Alle Hunde, die man in den Bergen fand, wurden systematisch erfasst und in ein Register aufgenommen. Nicht wenige dieser Berghunde erreichten ein Körpergewicht von über 100 Kilogramm.

In extrem kurzer Zeit wurde aus dem zuvor kaum beachteten Aschenputtel ein begehrtes Luxusobjekt. Zuchtstätten schossen, über ganz Spanien verteilt, wie Pilze aus dem Boden. Ein regelrechter "Abverkauf" guter und weniger guter Exemplare aus den Bergen setzte ein. Teilweise wurden völlig übertriebene Preise für diese Berghunde gezahlt, weil man glaubte, mit den Welpen ein gutes Geschäft machen zu können. Schon bald orientierte sich der Preis für einen Welpen am Körpergewicht der Elterntiere: je schwerer, desto teurer. Dieser Hang zur Gigantomanie wirkte sich für die Rasse fatal aus und schadete ihr letztendlich. Nach einer Welle der Euphorie und ins Uferlose steigender Welpenpreise führte der Weg in eine Sackgasse. Eine züchterische Weiterentwicklung fand so gut wie nicht statt.

Allmählich siegten jedoch Vernunft und Einsicht und besann man sich auf ein vernünftiges Maß: einen Hund mit ausgewogenen Proportionen und einem Körpergewicht um die 75 Kilogramm. Diese Entwicklung war in erster Linie dem engagierten persönlichen und finanziellen Einsatz einiger spanischer "Mastineros" (Mastin-Enthusiasten) aus dem Umfeld der AEPME zu verdanken - allen voran Manolo Sanz Timon, die die Rasse letztendlich auf ein gesundes Niveau brachten.

Arbeitsweise und Verlust der ursprünglichen Aufgabe

Nachdem im vergangenen Jahrhundert die Wolfspopulation in Spanien drastisch abnahm und auch die Schafhaltung, bedingt durch eine immer mehr um sich greifende Industrialisierung und dichter werdende Besiedlung, drastisch zurück ging, verlor der Mastin Espanol mehr und mehr sein angestammtes Arbeitsumfeld. Dennoch gibt es auch heute noch stellenweise Wanderschäfer, die, je nach Größe ihrer Herde, fünf bis 25 Mastines mit sich führen (Auf 100 Schafe und Ziegen rechnet man in der Regel einen Mastin.) Die Hunde arbeiten äußerst selbständig, nahezu ohne Anweisungen oder Unterstützung von Seiten des Hirten. Es gibt Mastines, die eine ganze Woche lang alleine bei ihrer Herde verbleiben, ohne jeglichen Menschenkontakt. Sie arbeiten so gut wie nie allein, sondern in größeren Rudeln bei der Herde. Deshalb müssen sie auch mit ihresgleichen gut auskommen und dürfen keine notorischen Raufer sein. Wenn ein Schaf auf dem Zug lammt, bleibt einer der Mastins, die die Herde begleiten, mit dem Muttertier zurück, um nach der Geburt Mutter samt Lamm langsam zur Herde zu führen. Durchquert die Herde gefährliches, unübersichtliches Terrain, so verteilen sich die Mastines um die Herde herum so geschickt, dass sie immer guten Wind haben, also jeden sich nähernden Feind auf weite Entfernung wittern können. In Anpassung an den Wechsel der Windrichtung und die wechselnde Formation der Herde nehmen die Hunde immer wieder neue Positionen ein. Sie bilden von sich aus eine Vor- und Nachhut und einen Flankenschutz, so dass die Herde wie von einem Schutzwall aus lebenden Hundekörpern umgeben ist. Auf diese Weise gelangen Alt- und Jungtiere sicher und wohl behütet zu ihrem Zielort.

Queen Mum
Foto: Andrea Wachsmann

Wesen, Besonderheiten, Eignung

Der typische Mastin Espanol soll von seiner Grundstimmung her ruhig und ausgeglichen sein, weder ängstlich noch aggressiv, jedoch abwartend-aufmerksam. Die Aura von Ruhe, Sicherheit und stoischer Gelassenheit, die diesen faltigen Koloss umgibt, macht ihn im täglichen Umgang sehr angenehm. Als Wächter und Beschützer wird er, allein schon auf Grund seines tiefen Bellens, seiner respekteinflößenden Gestalt und seines entschlossenen Auftretens, von jedem ernst genommen. Seine Wachaufgabe leistet er ohne jegliche Ausbildung, insbesondere nachts, denn diese Eigenschaft ist ihm angeboren. Der sanfte Riese hat im allgemeinen eine hohe Reizschwelle und wird nur dann ungemütlich, wenn er Gefahr für das ihm Anvertraute wittert. Kadavergehorsam ist seinem Wesen fremd. Seine Eigenständigkeit im "Denken" und Handeln macht seine Erziehung nicht immer einfach. Wie bei allen Hirtenhunden gilt, dass er kein Hund für hundeunerfahrene Menschen ist.

In eine enge Stadtwohnung passt dieser massige Koloss, schon auf Grund seiner Größe, nicht. Er braucht Platz und Freiraum und hält sich gerne bei jedem Wetter im Freien auf, benötigt jedoch keine allzu üppige tägliche Bewegung. Sein Futterbedarf liegt nicht höher als bei einem übermittelgroßen Hund anderer Rassen wie zum Beispiel einem Rottweiler. Gesundheitlich ist er robust, hat auf Grund seiner Größe und Masse allerdings nur eine mittlere Lebenserwartung von circa 10 Jahren. HD stellt, wie bei allen großen und schweren Rassen ein gewisses Problem dar. Auch Bänderschwächen und Kuhhessigkeit treten häufiger auf.

Nachwort: Eigentlich wollten wir diese Hunde nicht erwähnen, denn wir kennen sie nicht besonders gut und vor allem, wir haben keine Ahnung von ihnen. Da bekamen wir diesen Text. So freuen wir uns, die Hunde der Extremadura doch vorstellen zu können.

Unser Dank geht an Valeria Slembrouck für den Text und für die Bilder bedanken wir uns bei Andrea Wachsmann.

Persönliches Nachwort: Immer wenn ich diesen Text lese, fallen mir so manche Geschichten und Geschichtchen ein, die ich von "Queen Mum" gehört habe. So bleibt sie noch lange in meinen Gedanken, denn eine tolle Hündin war sie schon.

Hartmut Deckert

TürkeiBulgarienRumänienSlovakeiUngarnPolen, KarpatenGriechenlandZentraler Balkan - öffnet im neuen FensterItalienFrankreichSpanienPortugalNord-AfrikaAsienEuropa