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Der Kangal ...

... Hirtenhund aus Anatolien

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Auch beim Kangal gibt es eine Menge Versuche, seine Geschichte und Abstammung zu erklären. Und auch bei ihm mischen sich Mythos, Wahrheit und Kult. Diese Rassebeschreibung soll der Versuch sein, ein relativ nüchternes Bild einer der beiden türkischen Hirtenhunderassen zu zeichnen.

Aus Sicht der Hunde betrachtet, könnte man die Türkei in zwei Teile teilen und den Süden getrost den Touristen überlassen. Dann wäre der Westen Akbash - Land und der Osten Kangal-Land.

Geschichte

In unserer Erklärung zur Geschichte der Hirtenhunde ist es schon angeklungen, der Kangal stammt sehr wahrscheinlich von den Hirtenhunden Centralasiens, bzw. den Hunden des Zweistromlandes ab. Mit Absicht Zweistromland geschrieben, denn das Land zwischen Euphrat und Tigris beschränkt sich ja nicht auf das Gebiet des heutigen Irak, sondern auch Teile der Türkei gehören dazu. Diese Theorie steht und fällt natürlich mit der Richtigkeit der These der Haustierforschung, dass die Wiege der Schafzucht in Mesopotamien stand.

Erschwert werden diese Versuche, eine Abstammung nachzuvollziehen, dadurch, dass gerade bei Hirtenhunden in der Regel keinerlei schriftliche Erwähnungen vorhanden sind. Wenigstens nicht aus den Zeiten, in denen wahrscheinlich die ersten Hirtenhunde entstanden. Alte Reliefs und Zeichnungen zeigen garantiert keine Hirtenhunde, sondern höchstens Jagd- und Kriegshunde. Denn Hirtenhunde waren zu unbedeutend. Einzige Ausnahme ist wohl der Do-khyi, denn er wurde auch in den Klöstern Tibets gehalten und gezüchtet und von den Mönchen gibt es auch zu diesem Teil ihres Alltages Aufzeichnungen.

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Auch denke ich, dass die Hirtenhunde nicht entstanden sind im Zuge von Völkerwanderungen oder gar Kriegs- oder Eroberungszügen. Nomaden und Hirten sind immer eigene Wege gegangen und die unterschieden sich von denen der Krieger und Händler. Daher ist es nach meiner Meinung nicht so besonders erhellend, die geographische Lage der Türkei und alle Eroberer heran zu ziehen, um zu einer Historie zu gelangen. Allerdings wird die Geschichte der Türkei dann interessant und wichtig, wenn das Land im Besitz von Völkern war, die von außerhalb der Türkei kamen, oder außerhalb der Türkei ebenfalls ihr Einflussgebiet hatten.

Als Beispiel sei genannt das Volk der Hethiter. Ihr Herrschaftsgebiet erstreckte sich auch auf Teile des heutigen Iraks. Dazu schreibt Elisabeth v. Buchwaldt: "Spätere archäologische Funde belegen die historische Existenz von großen Wachhunden, molossoiden Typs bei den Hethitischen Völkern (1200 v. Chr.) Die Hethiter waren indo-europäischer Abstammung und besiedelten Anatolien um 2000 v. Chr. Hattusas (Bogazköy) war die Hauptstadt einer großartigen Zivilisation. Die Hethiter waren Krieger und Pferdezüchter, eroberten und besetzten die Region, welche die heutige Türkei darstellt, so wie Syrien und Irak für über tausend Jahre. Die Hethiter waren eine hoch entwickelte landwirtschaftlich orientierte Gesellschaft. Pferde wurden von der Oberschicht gezüchtet, das Volk aber betrieb Landwirtschaft, Ziegen- und Schafzucht.

Die Hethiter patrouillierten regelmäßig in ihrem riesigen Reich die Handelsrouten und hatten als Nahrungsreserve ihre Schafsherde dabei und die Hunde, um sie zu bewachen und beschützen. Sie trieben regen Handelsverkehr mit den Assyrern in Klein Asien (Ost Anatolien) und Mesopotamien, die auch riesige, dunkelfarbene Hunde besaßen." Hier wäre dann eine Verbindung zu den Hunden des Irak und Iran und somit zu den Centralasiaten zu finden. Da sie schreibt, dass die Hethiter "riesige, dunkelfarbene Hunde besaßen, kann man annehmen, dass im damaligen Anatolien mindestens die Farbe verändert wurde und dies deshalb, weil die heutige Kangalfarbe für die Hunde die beste Tarnung innerhalb einer Herde darstellte. Allerdings ist die in der Regel helle Farbe des Kangal kein Zeichen dafür, dass bereits damals Kangale oder ihnen ähnliche Hunde gezüchtet wurden. Denn die beige oder gräuliche Farbe ist ebenso, wie weiß eine Farbe, die bei den meisten Hirtenhunden vorkommt. Bei der Farbe beige kann man sogar von einer dominanten Farbe sprechen.

Ganz sicher eine falsche Spur wären dann aber auch die Eroberungszüge Alexander des Großen, wenn man ihn als Mazedonier sieht und die Verbindung zu den Molossern herstellen will, bzw. als Ahnen die Hunde aus Molotien vermutet. Denn ich habe es schon mal geschrieben, vorhandene Hunde mit so genannten Molossern zu kreuzen, wäre ein Rückschritt in der Zucht gewesen. Rückschritt deswegen, weil diese Hunde, falls sie je existiert haben, sehr groß und schwer und damit plump waren. Diese Optik aber entsprach noch nie der der Hirtenhunde. Genauso wenig haben sicher die Römer mit der Entstehung der zahlreichen Hirtenhunderassen etwas zu tun, denn als sie erschienen, waren diese bereits vorhanden.

Einen weiteren Hinweis auf die verwandtschaftlichen Beziehungen der Hunde Centralasiens und der Türkei ist ebenfalls bei Elisabeth v. Buchwaldt zu finden: "Die babylonische Schrift fand Eingang in Zentral-Anatolien und ihre in Altassyrischer Sprache verfassten Texte geben Aufschluss über die Lebensumstände in der Zeit bis 1900 v. Chr. Ein weit verzweigtes Handelsnetz unter der Führung assyrischer Niederlassungen (Karum) prägten die wirtschaftliche Situation in Mittelanatolien. Waren wurden mit großen Eselskarawanen über den Taurus nach Kanesh befördert von wo aus die Handelswege nach Westen und nach Norden führten. Die assyrischen Karawanen wurden immer von ihren großen, wehrhaften Hunden begleitet. So verbreiteten sich diese Hunde und kreuzten sich mit anderen, bis nach Indien."

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Auch die Karawanen der Seidenstrasse brachten neben Waren Haustiere und damit Hunde nach Anatolien. Bis weit in das Mittelalter hinein wechselten immer wieder die Herrschaftsverhältnisse. Auch dazu sei E. v. Buchwaldt zitiert: "Seit Ende des 7. Jh. verbreitete der Islam sich in Zentral Asien unter den vielen türkischen Stämmen. 977 wurde erstmals ein türkisch-islamischer Staat gegründet. Die Seldschuken, ein türkischer Nomaden- und Krieger- Stamm, die aus ihrem Sultanat in Centralasien (Iran, Irak und Syrien) kamen, öffneten die Tore nach Anatolien und auch andere türkische und turkmenische Stämme begannen in Kleinasien einzudringen. Diese Zeit ist geprägt durch ein System von Karawansereien und Rasthäusern zum Schutz des Handels. Herdenschutzhunde mittelasiatischen Typs drangen mit diesen Stämmen in Anatolien ein, und hatten sicherlich Einfluss auf die Entwicklung der verschiedenen modernen türkischen Hirtenhunderassen."

So ließe sich dann erklären, dass einerseits der Kangal wohl von den Hunden Centralasiens abstammt, andererseits aber im Westen der Türkei sich eine zweite Rasse entwickelte, der Akbash (Weißkopf), ebenfalls ein Abkömmling der Centralasiaten. Warum der Kangal sich auf den Osten der Türkei, also Anatolien beschränkte, erklärt sich ein Türke damit, dass das Klima in Westen für Kangale nicht geeignet war und ist und der Akbash mit diesem besser zurechtkam.

Als einigermaßen gesicherte Rasse kann der Kangal wohl ab dem 16. Jahrhundert gesehen werden. Dazu wieder E. v. Buchwaldt: "Im nachfolgenden Osmanischen Reich hat der Kangal, so wie er heute ist, einen festen historischen Platz. Anfang des 16 Jh. wurde die innere Krise des Osmanisches Reiches allenthalben sichtbar. In dieser Zeit der Anarchie verstärkte sich in Anatolien die Landflucht. Die Landwirtschaft verfiel zusehends, und machte einer extensiven Viehwirtschaft Platz wodurch weite Landstriche versteppten."

Unter seinem ursprünglichen Namen Karabash wurde er Jahrhunderte gezüchtet. So erwähnte diesen Namen der Autor H. Grüner in einer Reisebeschreibung im Jahre 1592. Im Gegensatz zum Akbash, der Name bedeutet Weißkopf, kann man Karabash mit Schwarzkopf übersetzen. Denn die meisten Hunde hatten eine schwarze Maske oder einen schwarzen Kopf. Auch Grüner sorgte dafür, dass der Ruf des Karabash legendär wurde, denn er bezeichnete die Hunde als scharfe Hunde von der Größe eines Esels. Sicher hatte er in Bezug auf die Größe einigermaßen richtig beobachtet und nur leicht übertrieben, aber er erwähnte eben nicht, dass auch die dortigen Esel eine relativ kleine Spezies waren. Interessant ist allerdings, dass er die nach außen gerichteten Stachelhalsbänder erwähnte, die den Hunden als Schutz dienten. Diese gab es allerdings auch in anderen Regionen. Aus diesen Zeiten stammt auch der Ruf des Kangals, ein "Kämpfer" zu sein. Das auch das reichlich übertrieben ist, werde ich auch noch beschreiben.

Kangalwelpen in der Türkei
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Vor etwa 60 Jahren erstellte die Familie Kangal einen Rassestandard, der auch heute noch seine Gültigkeit hat. Diese Familie züchtet die Hunde seit Jahrhunderten neben anderen Familien und vor allem Hirten. Trotzdem wird aber auch heute noch in der Türkei der Name Karabash sehr häufig verwandt. In Europa und besonders in Deutschland sorgen die vielen Namensgebungen für ein reichliches Durcheinander. So bezeichnet man die Hunde als Kangal, Karabash, oder gar Sivas-Kangal, meint aber immer den gleichen Hund. Auch das soll noch näher erklärt werden.

Obwohl der Kangal international nicht anerkannt ist, bemüht man sich in der Türkei seit Jahren nicht nur um den Rassestandard, sondern man legt auch Zuchtprogramme auf. Dazu schreibt E. v. Buchwaldt: "Einige staatliche Kangal-Zuchtprogramme sind vor einigen Jahren in Ankara, Ulas, Kangal und Konya entstanden.

1965 wurde das erste Kangal-Paar nach England exportiert und 1968 in die USA. Seitdem war der Einzug des Kangals in alle Kontinente nicht mehr aufzuhalten.

 

Kangal auf Briefmarken

Im Oktober 1996 fand in Konya das erste Internationale Symposium über den Türkischen Hirtenhund statt. Experten und Züchter aus der ganzen Welt waren dort anwesend, und alle waren sich einig, das in der Türkei mehrere Hirtenhunderassen existieren, und der Kangal eine eigenständige Rasse ist.

Das erste große Kangal Festival fand im Juni 1999, in Sivas, statt. Es wurde ein Riesenerfolg. Heutzutage genießt der Kangal in der Türkei einen geradezu folkloristischen Status. Zwei Briefmarken wurden den Kangal zu Ehren gewidmet."

Kangal-Festival in der Türkei
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Der Standard

Der Kangal ist ein großrahmiger, kräftig gebauter Hirtenhund, mit breitem und kräftigen Kopf und einem dichten Haarkleid. Trotz seiner Größe muss er schnell und ausdauernd sein. Erst dies ermöglicht es ihm, Begleiter der Herden zu sein.

Der Kopf hat einen großen, breiten, massiven Schädel, leicht abgerundet zwischen den Behängen, Hinterhauptbein gut ausgeprägt, doch nicht hervortretend, das Verhältnis von Oberkopf zum Vorgesichtsschädel ist ca. zwei Drittel zu ein Drittel, die Kopfhaut sollte gut anliegen, bei Aufmerksamkeit können Falten auftreten. Schwach ausgeprägter Stop.

Der Schädel ist kantig, nahezu rechteckig, gerade. Nicht sehr langer Nasenrücken, von der Wurzel bis zum Nasenspiegel kürzer als der Oberkopf vom Hinterhauptbein bis zum Stop, breite flache Stirn die halbiert wirkt durch eine leicht Furche, stark entwickelte Backenmuskulatur.

Der Nasenspiegel ist gut ausgebildet und schwarz. Die Lefzen sind ebenfalls schwarz die Oberlippe liegt gut an und die seitliche Belefzung kann leicht hängend wirken. Ober- und Unterkiefer sind kräftig ausgebildet, das Gebiss vollzahnig, mit einer regelmäßigen Schere.

Die Augen sind klein und mandelförmig, von dunkler Farbe bis bernsteinfarben. Sie sollen gut eingebettet und eng anschließend sein mit schwarzen Lidrändern. Der Augenwinkel soll zum Jochbein hin dunkel gesäumt sein.

Die Ohren sind ein V-förmiges Hängeohr mit abgerundetem Zipfel. Es wird eng anliegend getragen. Aktive Hirtenhunde haben in der Türkei auch heute noch kupierte Ohren, außerhalb des Landes ist dies unerwünscht, bzw. verboten.

Der Hals ist stark bemuskelt und relativ kurz. Die Nackenlinie leicht gewölbt, stramm mit Halskragen, der besonders deutlich bei den Rüden zu erkennen ist und spitz zwischen den Schulterblättern ausläuft, bei sehr großen, schweren Typen etwas Wamme vorhanden. 

Die Brust ist tief und mäßig breit, Brustkorb bis zu den Ellenbogengelenken reichend und zu den Flanken eine gut ansteigende untere Begrenzungslinie. Gut gewölbte Rippen, an den Seiten im unteren Drittel etwas abgeflacht, kraftvoller, muskulöser Körper, niemals Fett, mit festem, geradem und stark bemuskeltem Rücken, Widerrist leicht erhöht, Lendenpartie fest und kräftig, über den Lenden leicht gewölbt, Rumpf passend zur Beinlänge.

Die Schultern sind muskulös, das Schulterblatt winkelt sich mit einem flachen Winkel (+/-50°) in den Oberarm und steht von vorne gesehen nahezu senkrecht (+/-80°), die Vorderläufe bilden eine gerade Front, gut nebeneinander stehend mit kräftigen Knochen und einem kräftigem Vorderfußwurzelgelenk. Die Gesamtlänge des Unterarms beträgt mindesten die Hälfte der Widerristhöhe.

Die Hinterhand ist kräftig bemuskelt, und die Hinterläufe sind gut gewinkelt, das Hüftbein neigt zu einer steileren Lagerung, von hinten gesehen stehen die Pfoten senkrecht unter den Hüftgelenken und die Läufe stehen parallel zueinander, von der Seite gesehen wirkt das Kniegelenk etwas gestreckt, kurze Unterschenkel mit kräftigem Sprunggelenk und massiven Mittelfuß.

Kangal aus der Türkei
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Die Pfoten sind kräftig und gut gewölbte Katzen- oder Wolfspfoten mit kurzen bis mittellangen, hellen oder schwarzen Nägeln und elastischen Ballen. Einfache oder doppelte Afterkralle erlaubt. Die Pfoten der Vorderläufe sind größer als die der Hinterläufe.

Die Rute hat einen breiten Rutenansatz, mittellang, bis zum Sprunggelenk reichend, in Ruhestellung hängend, bei Erregung in sich zusammengerollt über der Kruppe getragen mit möglichst buschig wirkenden Fell.

Der Gang ist ein entspannter, federnd kraftvoller Gang. Der Kangal bevorzugt langsame Bewegungen, die in hohe Geschwindigkeiten übergehen können, die Gliedmaßen sollen sich geradlinig und parallel bewegen, der Bewegungsablauf soll federnd, geschmeidig und kraftvoll erscheinen und die Rückenlinie soll auf einem Niveau verbleiben.

Das Fell ist kurz, schlicht stockhaarig mit heller oder dunkler, dichter Unterwolle, am Kopf und an den Gliedmaßen sind die Haare kürzer und fest anliegend. Der Kangal ist einfarbig mit gutem Pigment, von Sandfarben über Beigefarben bis Stahlgrau, weißer Brustfleck und weiße Pfoten können auftreten, mit dunkler Maske, Brille und dunklen Behängen.

Das Gewicht beträgt bei Rüden 49 - 64 kg, bei Hündinnen 40 - 59 kg., die Widerristhöhe bei Rüden 72 - 81 cm, bei Hündinnen 70 - 79 cm. Beim Kangal, wie bei den anderen Hirtenhunderassen auch, ist ein deutlicher geschlechtlicher Unterschied im Körperbau zu sehen.

Weiße Abzeichen sind ausschließlich an Pfoten, Brust und Kinn erlaubt. Weiße Abzeichen an den Pfoten können bis zur Mitte des Unterarms reichen. An der Brust sind weiße Abzeichen von Stern bis Blesse, die in einem schmalen Streifen unter der Brust fortgeführt werden kann, erlaubt. Blessen dieser Art sind oft mit dunklem Haar abgegrenzt. Am Kinn ist nur ein kleiner weißer Stern erlaubt. Das Rutenende ist gewöhnlich schwarz, die Mitte der Rute weist häufig einen schwarzen Fleck auf.

Disqualifizierende Fehler sind: Ein- oder beidseitiger Kryptorchismus. Bösartigkeit, merkliche Scheu oder Feigheit. scheckige, gestreifte oder vielfarbige Zeichnung. Gesamtfarbe weiß, schwarz, schokoladenbraun oder leberfarben. Leberfarbener oder schokoladenbrauner Nasenschwamm. Kupierte Ohren bei Hunden, die nicht in der Türkei gezüchtet wurden.

Was nicht im Standard steht

Das Wesen

"Nerven wie Drahtseile"
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Auch der Kangal steht oder stand auf allen möglichen Listen "gefährlicher Hunde". Dass dies, wie bei anderen Hirtenhunden auch, falsch ist, leuchtet ein, wenn man sich mit den Charaktereigenschaften dieses Hundes beschäftigt.

Auch heute noch ist der Kangal in seiner Heimat ein sehr selbstständig arbeitender Hund, der nie oder kaum Anweisungen der Hirten braucht. Dementsprechend selbstsicher und selbstbewusst ist er. Bei der Erziehung heißt dies, dass ein Kangal nie Kadavergehorsam zeigt und nicht unbedingt das erste Kommando befolgt.

E. v. Buchwaldt schreibt dazu: "Sie werden in ihrer Heimat recht achtlos behandelt, kennen weder menschliche Zuwendung noch Ausbildung. Sie werden ausschließlich als Arbeitstiere genützt. Kangale sind wehrhafte, selbstbewusste Hunde. Sie sind intelligent und anpassungsfähig. Die Anforderungen, die solche Lebensumstände an die Tiere stellen, haben über Jahrhunderte hinweg eine Rasse entstehen lassen, die sich durch Härte, Selbständigkeit und Mut auszeichnet. In den Dörfern Anatoliens, lebt der Kangal ohne Zwinger und Zäune . Hunde die sich übermäßig aggressiv Menschen ( vor allem Kinder) oder andere Nutztiere (Geflügel, Pferde, Rinder Schafe) gegenüber verhalten, werden nicht toleriert und getötet. Die Reviergrenzen sind unsichtbar, und kein Hund kommt den Anderen in die Quere. Sie sind sehr Instinktsicher in Ihren Sozialverhalten ."

Aufgrund dieser Selektion ist der Kangal ein sehr ruhiger und ausgeglichener Hund, der nie in unüberlegte Aktionen verfällt. Allerdings ist seine Verteidigungsbereitschaft sehr ausgeprägt. In der Regel heißt das aber, er greift nicht an, sondern versucht mit Drohgebärden "Feinde" in die Flucht zu schlagen. Schon alleine wegen der eher ärmlichen Lebensumstände ist dies nötig, bzw. ökonomisch notwendig. denn ein unnötiger Kraft- und Körpereinsatz bedeutet Verschwendung von Energie.

Daher ist in unseren Breitengraden ein sorgfältig sozialisierter Kangal ein überaus angenehmer und liebevoller Familienhund, der alles zur Familie gehörende beschützt. Allerdings gilt auch für ihn, nie ohne Aufsicht mit Kindern alleine lassen. Fremden gegenüber verhält er sich eher reserviert bis neutral und beobachtet diese. Daher sollte er an Besucher herangeführt werden. Ob er mit diesen Kontakt haben will, entscheidet er selber.

Wie die anderen Hirtenhunde ist auch der Kangal erst mit etwa zweieinhalb Jahren ausgewachsen, "geistig erwachsen" ist er aber erst mit ca. 3 - 4 Jahren. Daher staunen viele Besitzer darüber, dass ihre Hunde sich im Laufe dieser Jahre immer wieder verändern, oder neues Verhalten zeigen. Auch richtig erwachsen bleibt er immer ein überaus sensibler Hund. Während viele Kangale mit anderen Tieren geradezu vorsichtig und zärtlich umgehen, sollte man sie an Artgenossen langsam heranführen. Gut sozialisiert ist aber auch das kein großes Problem. Bei dem bisher Geschriebenen über diese Hunde ist sicher klar, dass auch der Kangal eine sehr hohe Reizschwelle hat. Denn erst diese befähigt ihn zu seiner Arbeit und nur durch sie hat er die vielen Jahrhunderte überlebt.

Haltung

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Auch beim Kangal gibt es die alte Diskussion, wie er gehalten werden soll. Angelehnt an das Ursprungsland ist dann natürlich eine reine Stuben- oder Wohnungshaltung absolut nicht geeignet. Aber auch bei einer gemischten Haltung Haus/Garten ist immer zu hinterfragen, wie diese aussieht. Denn ein Kangal, der den größten Teil des Tages und die ganze Nacht in einem Haus zubringt, ist auf die Dauer nicht ausgelastet. Damit meine ich, dass die Reize fehlen, die der Hund bei einer Haltung im Freien bekommt.

Andererseits bedarf es aber schon einer gewissen Toleranz der Nachbarn, denn ein wachsamer Hund bellt eben auch mal nachts, wenn er die Gelegenheit hat, auch nachts draußen zu sein.

Wie andere Hirtenhunde auch ist ein Kangal nicht der große Spaziergänger, der jeden Tag eine festgesetzte Route abspult. Vernünftiger ist es, mit ihm Spaziergänge zu machen, deren Länge und Dauer er selber bestimmen kann. Hirtenhunde sind wie die "Marktweiber", sie müssen alles wissen. Das heißt, kein Geruch oder keine Spur und neue Gegenstände entgehen ihnen. Und das zu erkunden braucht seine Zeit. Unsere eigenen Hunde z. B. brauchen an manchen Tagen die doppelte Zeit, an anderen Tagen geht es im Schnelldurchlauf.

Auch ist ein Kangal nicht der große Spielkamerad, Ballspiele, Stöckchen werfen und ähnliches liegt etwas unter seiner Würde. Wenn er sich daran beteiligt, dann nur freiwillig und weil er den Partnern eben einen Gefallen tun will. Schmusen und Körperkontakte sind ihm aber sehr wichtig.

Hält man einen Hirtenhund aber überwiegend draußen, sollte das Grundstück sicher eingezäunt sein, denn alle Hirtenhunde haben so ihre Tricks, wie sie eben doch am Leben in der weiten Welt teilnehmen können.

Als Geschichten aus der Märchenstunde kann man beruhigt die Forderung abtun, Kangale sollten unbedingt mit anderen Haustieren zusammenleben und da am besten mit Schafen oder Ziegen, um ihre natürliche Veranlagung ausleben zu können. Was ein Hirtenhund nicht während seiner "PRÄGUNG" gelernt hat, braucht er auch nicht. Sonst wären alle Kangalbesitzer Farmer.

Erziehung

Frühe Sozialisierung
Foto: Mirja + Klaus Schaper

Ein sehr schlauer Kangalbesitzer schrieb auf seiner Internetseite, die Erziehung eines Kangal müsse zwar sehr früh anfangen, aber man habe ja schließlich bis zum endgültigen Erwachsenen-Alter drei Jahre Zeit. Da hat er recht. Und wenn man diese Erziehung schön langsam und gründlich vornimmt, bekommt man einen Hund, der sich in der Familie ideal einfügt. Dabei sind einige Grundsätze wichtig: Frühe Sozialisierung, am besten beginnend, wenn der Hund ins Haus kommt. Es muss eine eindeutige Rangordnung festgelegt werden. Auch mit einem Welpen kann man schon die ersten Gehorsamkeitsübungen trainieren, vorausgesetzt, man lässt sich Zeit damit. Im Leben eines Hirtenhundes sollte es nie übertriebene Härte geben, dafür aber eine starke Vertrauensbasis und konsequentes Handeln.

Von einer Schutzhundeausbildung ist eindeutig abzuraten, auch wenn es einige Trainer gibt, die diese aus Gründen des Gehorsames befürworten. Kein Kangal oder anderer Hirtenhund muss lernen, zu beißen. Im Notfall kann er das, aber in unserer Gesellschaft soll er es nicht.

Sehr wichtig ist auch, einem Hund von derartiger Größe und Stärke frühzeitig beizubringen, dass er mit Menschen anders umgehen muss, als mit seinesgleichen. Das heißt dann eben, anspringen und "liebevoll zubeißen" sind unerwünscht. Dies einem erwachsenen Hund klarzumachen, ist schwierig, deshalb fängt man bei einem Welpen bereits an.

Kangalmythen

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Auch um den Kangal ranken sich eine ganze Reihe Mythen, die ihn zum unbezwingbaren "Herdenschutzhund" machen. Aber wie bei den anderen Rassen auch schon geschrieben, diese Mythen sind einfach Blödsinn, oder sinnlose Übertreibungen. Traurig daran aber, sie werden ständig abgeschrieben und so immer weiterverbreitet. Kein/e Autor/in macht sich die Mühe, diese zu hinterfragen. Deshalb sollen sie hier mal sozusagen wieder auf den Teppich geholt werden.

Mythos Nummer eins wäre die sagenhafte Sehfähigkeit des Kangals. Angeblich sieht er lange vor den Menschen jede Gefahr. Nur ist auch der Kangal ein Hund und die Sehfähigkeit eines Hundes ist der des Menschen auf fast allen Gebieten unterlegen. Vielleicht ist dieses Märchen dadurch zustande gekommen, dass man vermutet, neben dem anderen türkischen Hirtenhund Akbash habe auch der Kangal Windhundeblut. Selbst wenn dem so ist, heißt das noch lange nicht, dass die Hunde besonders gut sehen, höchstens anders.

Natürlich ist es sehr beeindruckend, wenn auch der Kangal unzählige Wölfe und Bären erlegt hat und noch erlegen wird. Auch das ist leider nur eine Geschichte aus Tausend und Einer Nacht. Denn auch in der Türkei sind Auseinandersetzungen dieser Art sehr selten, bzw. finden nicht statt. So kann auch dieses Märchen beruhigt am Lagerfeuer erzählt werden, aber aus einer ernsthaften Literatur sollte man es raus lassen.

Noch schöner klingt es, wenn ein Kangal gar über Berge und Wälder hinweg den Wolf wittert und weit entfernten Hirtenhunden zur Hilfe eilt.

Zu einem derartigen "Überhund" gehört natürlich auch eine besondere Nase. Für diese geben angeblich Hirten ein Augenlicht. Stimmt diese Geschichte, laufen in Anatolien sicher eine Reihe blinder oder halbblinder Hirten rum.

Und auch beim Kangal taucht eines der ständig wiederholten Märchen auf, nämlich das von der besonderen Intelligenz, gepaart mit außergewöhnlichem Mut, wenn ein Hund Afterkrallen hat, besser noch doppelte.

Auf einer Seite fand ich die rührende Geschichte, dass Kangale mit dem Gründer der modernen Türkei Atatürk Seite an Seite gekämpft haben. Es soll sogar erst mancher Kriegsplan mit ihrer Hilfe verwirklicht worden sein.

Und um den Mut und die Kampfkraft der Hunde zu steigern, werden ihnen angeblich die abgeschnittenen Ohren ihrer Gegner unter das Futter gemischt.

Schöne Geschichten, nur stimmen tun sie nicht.

Namensgewirr

Der Kangal hat eine ganze Reihe Namen und diese sorgen für eine reichliche Verwirrung. So heißen die Hunde neben dem bekannten Kangal auch noch Sivas-Kangal, Karabash und anatolischer Hirtenhund. Unter letzterem Namen packt man dann gleich noch den Akbash dazu und auch der so genannte Karshund ist ein Anatolier. Daher mal eine Entwirrung.

Karabash

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Bedeutet nichts anderes als Schwarzkopf. Denn viele Kangale haben eben diesen schwarzen Kopf oder mindestens eine schwarze Maske. Eigentlich war das der ursprüngliche Name, denn die Hirten und die Bevölkerung auf dem Land kannte nur den Karabash, oder der Weißkopf, Akbash. Man könnte also sagen, Karabash ist der volkstümliche Name, der Jahrhunderte benutzt wurde. Lediglich in der westlichen Welt, bzw. in Deutschland glaubt man immer noch, dies sei eine eigene Rasse. So fand ich im Internet folgende Beschreibung: "Zwischen Kangal und Karabash besteht eine auffällige Ähnlichkeit, deshalb dürfte der Trend dahin gehen, aus beiden eine Rasse zu formen." Und eine andere Beschreibung lautet: "Dem Kangal in allen Positionen gleichender Hund, der lediglich nicht auf die Zucht der Familie Kangal in Sivas zurückzuführen ist. Auch das kann getrost als Blödsinn abgetan werden. Eine eigene Rasse ist der Karabash aber nicht, sondern es ist eben der ursprüngliche Name des Kangal. So gesehen ist jeder Karabash auch ein Kangal, aber nicht jeder Kangal ist ein Karabash, denn es gibt auch Hunde ohne die berühmte schwarze Maske oder den schwarzen Kopf.

Kangal

So etwa 60 Jahre ist es her, da erstellte die Familie Kangal für den bis dato nur als Karabash bekannten Hund einen Standard und gab ihm ihren Namen. Seither ist die Rasse in den meisten Ländern als Kangal bekannt, wobei die Engländer nach meinem Wissen auch heute noch vom Karabash sprechen. Auch in der Türkei wird dieser Name nicht immer benützt. Es ist falsch, zu behaupten, der Kangal stamme aus der Gegend von Sivas, denn die Hunde werden auch in anderen Gegenden gezüchtet. Und ein Dackel bleibt ein Dackel, egal ob er aus dem Thüringer Wald stammt, oder aus Bayern. Auch über den Kangal findet man im Internet geradezu haarsträubende Erklärungen: "Nur die großen, schwarzgesichtigen Hunde dürfen den Namen tragen und in das Stammbuch eingetragen werden, die aus Kangal selbst oder dem Gebiet um Sivas stammen. Hier werden diese gewaltigen Tiere von der Adelsfamilie Kangal gezüchtet, nach der neben der Umgebung auch die Hunde ihren Namen erhielten. Auf jeden Fall handelt es sich beim Kangal um keinen Hirten-, sondern um einen ausgesprochenen Schutz- und Wachhund." Eine zweite Quelle schreibt: "Massiver, dem stockhaarigen Bernhardiner vergleichbarer gewaltiger Anatolischer Hirtenhund. Seine Farbe ist vorwiegend graubraun, oft mit einem weißen Brustfleck oder weißen Pfoten. Charakteristisch ist die schwarze Maske oder der gänzlich schwarze Kopf."

Sivas-Kangal

Mit diesem Namen wird es dann total verwirrend. Denn angeblich nur der Kangal, der aus Sivas stammt, darf sich so nennen. Angenommen, jemand nimmt sich ein Pärchen aus Sivas mit und züchtet damit in Deutschland. Was sind die Nachkommen dann? Daher halte ich es für überflüssig, diesen Namen zu kommentieren. Nur eines wäre mir noch wichtig, entgegen anderer Behauptungen stammt der Kangal natürlich nicht "hauptsächlich aus der Gegend um Sivas", sondern er ist der Hund des ganzen Ostens.

Anatolischer Hirtenhund

Langhaar, also anatolischer Hirtenhund
Foto: Hartmut Deckert

Nachdem man in der Türkei jahrhundertelang mit den beiden Namen Karabash und Akbash bestens zurande kam und keine internationale Anerkennung der beiden Rassen bekam, oder auch brauchte, änderte sich das in den letzten Jahren. Als das Ehepaar Judith und David Nelson 1985 die ersten Kangale nach Nordamerika importierte, erregten diese Hunde natürlich großes Aufsehen. Es entstand eine eigene Kangalzucht und 1998 wurde der Kangal von United Kennel Club (UKC) anerkannt. Dies führte natürlich auch zu einer Anerkennung durch die FCI. So entstand das Kuriosum, dass eine türkische Rasse durch einen amerikanischen Club ihre internationale Anerkennung bekam.

Wie in den meisten Fällen tat es auch hier dem Kangal nicht besonders gut. Denn Nelson fehlten die traditionellen Kenntnisse und er glaubte, auch der so genannte Kars Hund sei eine eigenständige Rasse. So entstand die "glorreiche" Idee, alle Hunde der Türkei zusammenzufassen und eine Rasse daraus zu machen. Es war die Geburtsstunde des anatolischen Hirtenhundes.

Daher schreibt E. v. Buchwaldt richtig: "Der Anatolische Hirtenhund ist eine westliche Erfindung, die in der Türkei so gar nicht existiert und als solches auch nicht bekannt ist. Diese "Rasse" wurde von der FCI anerkannt. Sie beinhaltet nicht nur alle möglichen türkischen Hirtenhundtypen, sondern auch deren Mischungen. Der Name leitet sich her von dem türkischen Begriff "Coban Copegi", was nichts anderes heißt als "Hund des Hirten". Überall auf der Welt wird heftigst diskutiert über Sinn und Unsinn dieser FCI-Globalisierung. Nur ein kynologischer Verband aus der Türkei, der zudem noch FCI-Mitglied sein müsste, könnte dieses ändern und richtig stellen."

Das Ergebnis kann man in den letzten Jahren auch auf Ausstellungen in Deutschland sehen, aber darauf komme ich auch noch zu sprechen. Da aber nicht alle Halter und Züchter diesen "Mischmasch" gut fanden, gibt es heute in den USA und Kanada auch Züchter und Clubs, die den Akbash als Rasse rein erhalten wollen und diesen unter seinem alten und vertrauten Namen züchten.

Kurdisch - Türkische Freundschaft
Foto: Mirja + Klaus Schaper

Auch der Kangal ist in Deutschland nach meinem Wissen durch einen Club vertreten, der "Union türkischer Hirtenhunde". Von diesem unter Zucht in Deutschland mehr. Allerdings vertritt der Verein beide türkischen Rassen. Wie üblich, gab es vor Jahren mal "heftige Auseinandersetzungen" und es gab eine Absplitterung. Diese heißt Akbash Liga, völlig unbedeutend und unbekannt. Auf diese werde ich eingehen in der Rassebeschreibung des Akbash. Die Union türkischer Hirtenhunde bemüht sich anscheinend seit Jahren um Aufnahme in den VdH, aber dies ist allein deswegen nicht möglich, weil Kangal und Akbash nicht international anerkannt sind und daher auch nicht in einem deutschen Verband vertreten sein können. Sollte die Union sich aber dem Namen "Anatolischer Hirtenhund" anschließen, könnte eine Mitgliedschaft im VdH möglich sein.

Kars-Hund

Diese Rasse glaubten Judith und David Nelson gefunden zu haben, als sie im Nordosten der Türkei in der Region Kars und um die Stadt Kars herum einen Hundeschlag fanden, der für sie nicht einzuordnen war. Weder in der Türkei, noch sonst irgendwo gibt es diese Rasse, sie ist ein Phantom, allerdings berichteten deutsche Hunde-Zeitungen bereits über dies "Entdeckung", ja sie taucht sogar schon in Büchern über Hirtenhunde auf (Gudrun Beckmann). Und auch ein deutsches Tierheim (Ludwigsburg) wollte einen solchen Hund vermitteln.

Der Richtigkeit halber sei hier geschrieben, den Kars Hund gibt es nicht. Er ist ein regionaler Schlag, der sich aus den Kaukasen der Armenier gebildet hat. Die leben ja schließlich nur wenige Kilometer entfernt.

Coban Copegi

Als solche werden alle an den Herden arbeitende Hunde bezeichnet. Übersetzt heißt das nichts anderes, als Schäferhund, oder Hund des Schäfers. Ihr Ursprung oder ihre Abstammung spielt dabei keine Rolle. Allerdings sind diese Hunde in unserem Sinne keine Schäferhunde, also Hütehunde, sondern eben Hirtenhunde, die ausschließlich die Herden bewachen.

Zucht in der Türkei

Obwohl bisher niemand in der Türkei auf die Idee gekommen ist, mit Zuchtbüchern und Ausstellungen nach europäischem Maßstab ein "Zuchtwesen" aufzubauen, gibt es eine uralte Tradition der Hirtenhunderassen. Zwar schreibt E. v. Buchwaldt dazu: "Im Oktober 1996 fand in Konya das erste Internationale Symposium über den Türkischen Hirtenhund statt. Experten und Züchter aus der ganzen Welt waren dort anwesend, und alle waren sich einig, das in der Türkei mehrere Hirtenhunderassen existieren, und der Kangal eine eigenständige Rasse ist. Nur damit ist eben nicht gemeint, dass die Hunde nach z. B. der Ausstellungs- und Zuchtordnung des VdH oder der FCI gezüchtet werden.

Denn anders als in unseren "zivilisierten Breitengraden" steht im Mittelpunkt der Zucht in den Ursprungsländern immer die Arbeitsfähigkeit der Hunde. Ebenso, wie die Anpassung an die Umweltbedingungen der Länder. Somit sind optische Merkmale eben nebensächlich. Vielleicht ist es uns Europäern unverständlich, aber Hunde, die als Arbeitshunde untauglich waren, überlebten nicht. Einen unnützen "Fresser" konnten sich die Hirten nie leisten. Das Leben eines Hirtenhundes ist ein karges Leben und auch die Hirten waren und sind immer noch arm.

Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Das Klima ist extrem mit heißen Sommern und eiskalten Wintern. All dies muss ein Kangal unbeschadet überstehen können. Überstehen ohne einen warmen Platz am Ofen und auf dem Sofa.

Viele Welpen überleben aufgrund dieser Bedingungen die ersten Lebenswochen nicht und Impfungen oder Entwurmungen kann sich niemand leisten. Und Tierschutz, wie wir ihn kennen, ist den Menschen dort fremd. Ob das gut oder schlecht ist, diese Diskussion stellt sich nicht, denn allen geht es gleich schlecht.

Auch für den Kangal gilt, da "hinter jeder Hausecke" Hirten lebten, die eine andere Auffassung über die Optik ihrer Hunde hatten, zeigt auch dieser Hund ein relativ unterschiedliches Erscheinungsbild. Hauptsächlich in der Größe ist da zu erkennen. Aber auch in der unterschiedlichen Felllänge, die allerdings nicht so stark variiert, wie bei anderen Rassen. Anders ausgedrückt könnte ich auch schreiben, es gibt Hunde, die ein europäischer Richter nicht von Kaukasen unterscheiden könnte, oder die er für Centralasiaten halten würde. Wie bei diesen auch, würden viele Hunde hierzulande entweder eine schlechte Beurteilung oder gleich ein Zuchtverbot bekommen.

Auf die soziale Anpassung der Hunde bin ich schon eingegangen, aber es sei noch mal erwähnt, dass auch diese eine große Rolle spielt in der Zucht. Anders als in Europa oder der "zivilisierten Welt" muss ein Hund diese besitzen, sonst ist das Überleben der Menschen gefährdet oder zumindest gestört.

Auch kennt man eine völlig unmotivierte Anhäufung von Inzucht nicht in der Türkei. Zwar werden sicher Hunde mit einer besonderen Arbeitsfähigkeit immer wieder als Zuchthunde eingesetzt, aber nie aufgrund ihrer Optik. So entstehen auch nicht die in Europa längst bekannten Zuchtlinien, die mit HD, Epilepsie und Augenkrankheiten zu kämpfen haben, oder Hunde wie "Giganten" hervorbringen.

Sicher sind aufgrund der sehr ärmlichen Ernährung die Hunde dort etwas kleiner, als solche mit so genanntem "Spitzenfutter" groß gezogene Hunde. Aber gerade auch in Deutschland sind die sehr großen Hunde nicht nur durch die Fütterung aufgetaucht. Zurück gegangen ist die Zahl der Hunde auch deswegen, weil die Herden abnehmen. Die Hirten brauchen weniger Hunde und deswegen wird weniger nachgezogen. Dazu kommt, das eben viele Welpen aufgrund von Krankheiten nicht überleben. Dazu schreibt E. v. Buchwaldt: "Seit einigen Jahren schon geht der Schafbestand in Anatolien, besonders in der Region um Sivas aus wirtschaftlichen Gründen drastisch zurück und damit auch die Anzahl ihrer Wächter, den Kangal-Hunden. Vor vier Jahren grassierte eine verheerende Tollwut Epidemie der fast 60 % der Kangal Hunde zum Opfer fielen. Heutzutage überleben weniger als 10 % der Welpen, Parvovirose und andere neu eingeschleppte Krankheiten sind die Ursachen für die hohe Mortalität neben extremen Verwurmungen und Unterernährung der Hündinnen und Junghunde. Die Hirten sind viel zu arm und nicht in der Lage, ihren Hunden die nötige Vorsorge zukommen zu lassen. Impfungen und Wurmkuren sind teuer, das Futter ist sehr knapp. Diese wunderbare Rasse ist in ihrer Heimat höchst gefährdet und braucht dringend unsere Hilfe."

Zucht in Deutschland

Ostern 2000 schaute ich mir die Clubschau der "Union türkischer Hirtenhunde" an. Dort konnte man am besten sehen, wie sich die Zucht in Deutschland und damit natürlich in Westeuropa entwickelt. Neben einigen Hunden, die aus der Türkei stammten, waren sehr viele hier gezüchtete Hunde zu sehen.

Leider sind die Unterschiede zwischen ihnen schon ganz beachtlich. Der "deutsche Kangal" ist zu groß, die Köpfe nicht sehr ausdrucksvoll und viel zu schmal und lang. Auch die Ohren erschienen mir zu groß und zu faltig und die Augen werden heller und vor allem größer. Dies ist deswegen schädlich, weil größere Augen eher zu Augenkrankheiten oder Entzündungen führen. Alle Hirtenhunderassen haben in den Ursprungsländern verhältnismäßige kleine Augen, denn damit sind sie weniger anfällig, als große (Wind, Schnee, usw.). Es waren überspitzt geschrieben, Deutsche Doggen zu sehen.

Kangale der UTH Club-Schau Ostern 2000
Foto: Hartmut Deckert

Da unterdessen der "anatolische Hirtenhund" auch in Deutschland häufig zu sehen ist, verändern sich die Hunde nicht nur größenmäßig, sondern auch in den Farben. So kann man bei einigen Hunden schon fast von Schecken sprechen. Auch die Felllänge hat sich verändert, es tauchen langhaarigere Hunde auf.

Aufgrund dieser Veränderungen argumentieren einige Züchter daher, man solle den alten Namen Kangal oder Karabash nicht mehr benützen, sondern alles zusammenfassen unter dem Begriff anatolischer Hirtenhund. Leider wird dann aber in dieser Einteilung immer noch von schwarzköpfigen Hunden gesprochen und die heißen wieder Karabash. Daher ist nicht viel erreicht, um Laien diese Rasse zu erklären.

Allerdings meinen die Befürworter auch, mit dieser Zusammenfassung erweitere man das Genpotential. Dieses Argument wäre an und für sich schon ernst zu nehmen, denn auch bei Kangalen nimmt die Inzucht zu, bzw. wird in den nächsten Jahren stärker, da es eben in Europa weniger Hunde geben wird, die nicht mit Inzucht belastet sind. Da man aber offensichtlich den Vorbildern aus Nordamerika folgen will und unter dem anatolischen Hirtenhund dann auch noch der Akbash eingereiht wird, ist dies falsch. Akbash und Karabash (Kangal) sind eigenständige Rassen und müssen es auch bleiben. Durchgedacht würde dies nämlich heißen, dass Mischlinge aus den beiden Rassen dann Vertreter der Anatolier sind, gekört und zuchtfähig.

Sollte sich in Deutschland ein Verein etablieren können, der dann diesen "anatolischen Hirtenhund" repräsentiert, wäre dies nicht unbedingt zum Vorteil der Hunde. Denn auch dieser Verein müsste sich der Zucht- und Ausstellungsordnung des VdH unterordnen. Auf gut Deutsch, auch diese Rasse würde hauptsächlich nach optischen Kriterien zuchtfähig geschrieben. Wohin diese Beurteilung führt, kann man bei anderen Rassen bereits beobachten. Und es wären dann eben Mischlinge "auf dem Markt", die ordnungsgemäße Ahnentafeln haben, während der reinrassige Kangal oder Akbash auch weiterhin ohne Papiere angeboten wird.

Krankheiten

Auch beim Kangal treten bereits Krankheiten auf, wie HD, Epilepsie und Erkrankungen der Augen. Da mir aber dazu keine Zahlen oder Bestätigungen von Haltern oder Züchtern vorliegen, kann ich keine präzisen Angaben machen. Auch höre ich von Kangalbesitzern am häufigsten, dass ihre Hunde an Magendrehungen gestorben sind. Falls das tatsächlich der Fall ist, dürfte die Ursache in der unnatürlichen Größe vieler Hunde liegen. Hang zum Gigantismus verändert eben auch die inneren Organe und ihre "Befestigung".

Ebenso wird vermehrt berichtet, dass besonders bei Kangalen Probleme während der Narkose auftauchen. Nach Rückfrage bei meinem Tierarzt kann ich dazu nur schreiben, dass hier ein Problem auftaucht, dass alle großen Rassen verstärkt bekommen. Auch hier liegen Gründe vor, die in der Zucht dieser Riesen liegen. Eine Statistik von Tierärzten in Bezug auf Rasse gibt es nicht.

Empfehlung

Auch für den Kangal gilt, Augen auf beim Hundekauf. Nicht überall, wo Kangal drauf steht, ist auch Kangal drin. Das heißt, wenn ein Züchter zuviel über anatolische Hirtenhunde spricht, ist Vorsicht geboten. Weiter sollte der Käufer darauf achten, wie ein Züchter seine Hunde hält. Wärmelampen und gewärmte Wurflager oder -kisten sind für den Geldbeutel des Züchters gut, aber nicht für den Käufer.

Man muss sich die Papiere der Eltern zeigen lassen und überprüfen, ob diese auf HD geröntgt sind. Sind Zuchtbücher vorhanden, ist natürlich auch die ganze Verwandtschaft in dieser Beziehung interessant. Ein seriöser Züchter ist auf gesunde Hunde stolz und wird bereitwillig Auskunft geben.

Der beste Welpe ist immer der, der es mit Vater und Mutter zu tun hatte. Daher sollte ein Züchter einen Rüden halten und dieser muss an der Erziehung der Welpen beteiligt gewesen sein. Er muss ja nicht der Vater sein. Das schließt natürlich den Kauf eines Welpen aus, der aus irgendeiner obskuren Hinterhofzucht stammt, oder angeblich gerade vorgestern direkt aus der Türkei gekommen ist.

Auch bei Importen ist Vorsicht angebracht. Bei allen Hirtenhunderassen tauchen mit diesen immer Probleme deswegen auf, weil sie anders gehalten, bzw. sozialisiert wurden. Das kann in unseren Breitengraden fatale Folgen haben, in der Türkei z. B. ist es die Normalität, weil dort eben die Umstände anders sind.

Persönlich würde ich einen Welpen nur dort kaufen, wo ich auch Kontakt haben kann mit den erwachsenen Hunden. Auch eine Mutter lässt dies im Beisein des Züchters zu, wenn sie eine wesensfeste und charakterstarke Hündin ist. Denn Aggressivität lernt ein Welpe von den erwachsenen Tieren und was bei der Mutter gut war, kann im zukünftigen Leben nicht schlecht sein. Darum habe ich mal einen jungen Kaukasen deswegen nicht gekauft, weil ich die Mutter kannte und die war eine "linke Bazille".

Kangal-Festival
Foto: Karin + Wolfgang Brüseke

Quellen:
Internetseiten von
Elisabeth v. Buchwaldt
Degenhardt Dürr

Unser besonderer Dank geht an Karin und Wolfgang Brüseke sowie Mirja und Klaus Schaper, die uns die vielen Bilder zur Verfügung stellten.

Hartmut Deckert

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