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"Sredneaziatskaya Ovtcharka"

oder der Centralasiatische Owtscharka

Angie
Foto Helmut Otto

Eigentlich schade und ich tue es nicht gerne, der Text von Ronald Guldenschuh ist aber einfach zu lang für diese Seite und muss gekürzt werden.

Der Name

Heute wird häufig die Bezeichnung "Mittelasiatischer Hirtenhund" gebraucht, der ebenfalls weit verbreitete Name "Centralasiatischer Hirtenhund" dürfte aber vorzuziehen sein, weil "Centralasien" heute eine geläufige geographische Bezeichnung ist, der Begriff "Mittelasien" aber eigentlich niemandem etwas sagt. "Centralasiatischer Ovtcharka" ist auch korrekt. Ovtcharka heißt einfach Schäferhund auf russisch.

Die Bezeichnung "Centralasiatischer Hirtenhund", auf russisch "Sredneaziatskaya Ovtcharka", ist eine russische Erfindung die in den Ursprungsländern nicht angewandt wird. Die Bewohner dieser Regionen sind meist Hirten und oft Nomaden. Sie bezeichnen ihre Tiere nach Verwendungszweck, Eigenschaften oder Aussehen in der jeweiligen lokalen Sprache.

So spricht man in Afghanistan von "Sage Koochi" - Nomadenhund oder "Sage Rama" - Schafherdenhund. Die schweren Bergtypen werden "Djence Sheri" - Löwenrasse genannt, die leichteren Steppentypen "Djence Palangi" - Tigerrasse. In den turksprachigen Regionen findet man die Bezeichnung "Coban Kopek" - Hirtenhund, Herdenhund, oder "Kurt Kopek" - Wolfs (bekämpfender) Hund, aber auch "Karabas" - Schwarzkopf, oder "Karages" - Schwarzauge, sowie "Akbai" - Weißer Hund etc.

Aussehen

Der Standard lässt dank seiner großzügigen Abfassung so ziemlich alles zu, was sich im Laufe vieler Jahre bei diesen Hunden herausgebildet hat. Einige Merkmale in Kürze:

Mindestschulterhöhe für Rüden 65 cm, für Hündinnen 60 cm. Die meisten Tiere sind jedoch über 70 cm groß, Rüden können 90 cm und mehr erreichen. Gewicht: Abhängig vom Typ und Geschlecht, zwischen 35 bis über 90 kg im Extremfall, immerhin noch zwischen 45 bis 75 kg bei durchaus üblichen Typenunterschieden. Farben: weiß, creme, beige, strohfarben, rötlich, braun, grau-braun, grau und schwarz. Einfarben mit oder ohne dunkle Maske, gestromt, gescheckt oder gefleckt in allen Variationen.

Hannelore mit einem Centralasiaten-Welpen ...
Foto: Hartmut Deckert

Untertypen nach Haarlänge: Langhaar (7-8 cm) insbesondere auf Rücken und Rumpf, sowie die klassische Befederung an Ohren, Brust, Läufen, Bauch und Rute. Kurzhaar (3-5 cm).

Kopf massiv, breit im Schädelbereich, mit stark entwickelten Backenknochen, flache Stirn mit fließendem Stop Breite, betont rechteckige Schnauze. Der Nasenschwamm ist schwarz, mittelstark, bei hellfarbenen Tieren wird braun toleriert. Augen eher dunkel. Gebiss kräftiges, weißes Scherengebiss. Ohren eher klein, hängend, halbhoch angesetzt, von dreieckiger Form.

Kräftiger Knochenbau - kurzer, muskulöser Hals - Rist gut ausgeprägt und etwas höher als die Kruppe, massig aufgezogener Bauch. Die Vorder- und Hinterläufe sind kräftig und parallel, die Pfoten sind stark, oval, kompakt. Schwanz hoch angesetzt, sichelförmig bis aufgerollt getragen (letzteres besonders im Affekt), befedert, mit meist weißer Spitze.

Aufgabenbereich

Hirtenhund, der sich hervorragend als Wachhund und bei entsprechender Sozialisierung auch bestens als Familienhund eignet.

Die Ohren und die Rute

Wie bei vielen Hirtenhunderassen üblich, werden den Zentralasiaten in ihren Herkunftsländern als Schutz vor Verletzungen die Ohren und die Rute mehr oder weniger kurz kupiert. In Westeuropa ist dies heute grundsätzlich untersagt.

Dieses Verbot ist sicherlich zu befürworten, denn Konfrontationen mit Wölfen sind hierzulande doch noch eher selten und die Zeiten wo der Mensch sich berechtigt fühlte unbeschränkt über die Natur zu gebieten und Lebewesen nach seinem Gutdünken zurechtzustutzen, sind doch hoffentlich bald ganz verschwunden. Der unkupierte Hund wirkt harmonischer, weniger kriegerisch und er verfügt über eine größere Ausdrucksfähigkeit.

Größe und Gewicht

Hier wird die außerordentliche Bandbreite am besten sichtbar. Obwohl der Standard keine Obergrenze vorsieht, weisen die Erfahrungen von russischen Züchtern und Kynologen, wie auch die auf dem Hornihof gemachten, eindeutig darauf hin, dass Hunde welche deutlich über 80 cm Stockmaß und über 70 kg Körpergewicht haben, oft zu körperlichen Beschwerden neigen. Die ursprünglichen Arbeitshunde sind weder besonders groß, noch besonders schwer. Der Hang zum Gigantismus in der heutigen Zucht bringt die Rasse in Gefahr, vom beweglichen und ausdauernden Hirtenhund zum verfetteten Prestigeobjekt zu verkümmern.

... und die Mutter der Welpen
Foto: Hartmut Deckert

Ursprung und Bedeutung der Rasse

Centralasien, eine der Wiegen der Menschheit, ist nicht nur Ausgangspunkt zahlreicher Migrationen, sowohl in Richtung Osten, als auch westwärts nach Europa. Das im Herzen Centralasiens liegende fruchtbare Tal des Oxus-Stroms (historischer Name, heute: Amu Darya) ist auch die Heimat einer der letzten Viehzüchterkulturen der Welt (hier ist der Ursprung der Karakol-Schafe, welche die Astrakhan-Felle liefern), deren Hirten schon vor 8 bis 10.000 Jahren ihre Hunde zur Bewachung der Herden ausgebildet haben.

Die centralasiatischen Hirtenhunde gehören damit zu den letzten Hunderassen überhaupt. Ihr Ursprungsgebiet ist riesig, was die Vielzahl an lokalen Schlägen und Typen erklärt. Die ursprünglichsten und leistungsfähigsten Hunde finden sich bei den Hirten und Nomaden Afghanistans, Turkmenistans und Tadjikistans. Die Rasse ist seit 1989 von der FCI offiziell anerkannt (FCI-Standard 335/89), aber bei uns noch praktisch unbekannt.

Die Tibet-Dogge (Do-Khyi) und die Anatolischen Hirtenhunde (Kangal, Karabash,Akbash) sind ihre nahen Vettern. Durch die historischen Völkerwanderungen von Ost nach West sind die Hunde dieser Rassengruppe wohl als die Vorfahren aller unserer großen Berghunderassen anzusehen.

Heute ist die Rasse in ihrer ursprünglichen Form stark gefährdet, sei es durch Kriege, politischen Wirren oder den Verlust der traditionellen landwirtschaftlichen und sozialen Strukturen in ihren Herkunftsländern. Anderswo bedrohen mangelnde oder falsche Selektion, unkontrollierte Einkreuzungen und Inzucht ihre äußeren und inneren genetischen Werte.

Ihre körperliche Kraft und Widerstandsfähigkeit, ihr ausgeglichener Charakter, ihr sicherer Instinkt und ganz besonders ihre Langlebigkeit stellen einen außerordentlichen genetischen Reichtum dar.

Diese Qualitäten bilden einen angenehmen Kontrast zu den beinahe schon industriellen Wegwerfprodukten, die eine vereinheitlichende Linienzucht und eine reine Schönheitsselektion nach oft fragwürdigen Kriterien aus unseren Hunderassen gemacht haben.

Zu einem Zeitpunkt wo immer mehr Hundefreunde zu erkennen beginnen, dass die westliche Hundezucht dem endgültigen genetischen Kollaps zusteuert, ist die Existenz einer solchen Rasse ein Geschenk des Himmels. Wir müssen uns entscheiden ob wir alle unsere Hunderassen definitiv zu Spielzeugen, Dekorations- und Prestigeobjekten reduzieren wollen, die meisten sind es ja schon, oder ob wir doch noch einige Arbeitsrassen mit ursprünglichen Schutzinstinkten und den entsprechenden körperlichen Fähigkeiten erhalten sollen.

... der Bruder Nouridin
Foto: Hartmut Deckert

Charakter und Erziehung

Der Centralasiate ist von bemerkenswert ruhigem und ausgeglichenem Temperament. Seiner Familie gegenüber ist er von großer Anhänglichkeit und Zärtlichkeit, ohne aufdringlich zu sein. Er bellt kaum grundlos und dank seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein behält er lange seine Ruhe, selbst wenn er provoziert wird. Wenn er aber zum Schluss kommt, dass sein Eingreifen notwendig ist, tut er dies ohne Vorwarnung und blitzschnell. Wie alle Hirtenhunde ist er nicht bedingungslos gehorsam.

Dies fördert die Intelligenz, aber auch ihr Unabhängigkeitsbedürfnis. Um so wichtiger ist es deshalb von Anfang an klarzustellen, wer der Anführer ist. Dies muss mit unmissverständlicher Autorität und konsequentem Verhalten, aber auch Einfühlungsvermögen und Zuneigung, schon ab fortgeschrittenem Welpenalter geschehen.

Hirtenhunde müssen von klein auf an andere Tiere gewöhnt werden, sollen sie später ihre Aufgabe erfüllen. Es ist bei dieser Rasse zu empfehlen, die Welpen etwas länger als üblich bei ihren Eltern und Geschwistern zu lassen, weil sie in der Meute am allerbesten lernen, Rangordnungen zu akzeptieren und sich zu unterwerfen.

Das Verhalten des Centralasiaten hängt stark von seinem Alter, seiner Erziehung und von seinem Rang in der (Hunde- oder Menschen-) Meute ab. Unter guten Voraussetzungen machen seine Intelligenz und sein ausgeglichenes und anhängliches Wesen ihn zu einem hervorragenden Familienhund.

Wie alle großen und kräftigen Hunde können schlecht erzogene Centralasiaten durchaus gefährlich sein, aber auf Grund ihres ausgeglichenen Wesens schneiden sie im Vergleich mit ungleich häufiger anzutreffenden Wachhunderassen wohl eher besser ab. In keinem Fall sollte diese Rasse zum Schutzhund ausgebildet werden, weil ihr natürlicher Schutzinstinkt und ihre Wehrhaftigkeit keiner Verstärkung bedürfen und es unverantwortlich wäre, sie auf Angriff abzurichten.

... und der Vater Akbar
Foto: Hartmut Deckert

Ansprüche an den Besitzer

Ganz speziell interessiert sollten Viehzüchter und -halter in abgelegenen Gegenden sein, welche ihre Tiere gegen Wolf, Luchs und streunende Hunde schützen wollen. Weitere potenzielle Centralasiatenbesitzer sind Menschen, die isoliert oder sonst irgendwie in möglicherweise gefährdeter Lage wohnen und sich um ihre persönliche Sicherheit Sorgen machen. In jedem Falle muss der Halter sich bewusst sein, dass er einen äußerst fähigen Wächter zum Gefährten hat.

Ganz allgemein braucht der Besitzer solcher Hunde vor allem Zeit für die Sozialisierung, ein Minimum an Erfahrung und Einfühlungsvermögen und eine gewisse Charakterfestigkeit. Aggressive Angeber, aber ebenso sehr allzu weichherzige Menschen, die sich von diesen starken Hundepersönlichkeiten dominieren und um den Finger wickeln lassen, sind von vornherein disqualifiziert. Die einfache Formel für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Familie, Tier und Umfeld heißt: Konsequente Erziehung, Familienanschluss, abwechslungsreiche Kontakte mit Menschen (Kindern), Tieren und Verkehr und eine angepasste Infrastruktur (eingezäunter Auslauf, Freilaufgehege).

Ihr außergewöhnlicher Charakter, verträglicher und wesensfester als der den ihnen vergleichbaren Rassen, ihr sicherer Schutzinstinkt verbunden mit beeindruckender körperlicher Kraft und ganz besonders diese unvergleichliche Mischung aus selbstbewusstem Unabhängigkeitsbedürfnis und einer schon fast mütterlich-beschützenden sensiblen Zärtlichkeit machen sie zu Gefährten von unwiderstehlichem Charme.

Körperliche Entwicklung/ Lebenserwartung

Wie alle großen Hunde sind Centralasiaten Spätentwickler. Erst mit über drei Jahren kann man die Qualität und den Typ eines Tieres wirklich beurteilen. Vorher machen sie die verschiedensten, manchmal recht unvorteilhaften Phasen durch. Sowohl Körperbau als auch das Wesen sind davon betroffen.

Die Lebenserwartung ist sehr hoch. Selbst unter den harten Lebensbedingungen in Afghanistan können diese Hunde 14 bis 17 Jahre alt werden. Es wird sogar von über 20-jährigen Hunden berichtet.

Ernährung

Obwohl sie von ihrer Herkunft an karge Kost gewöhnt sind, ist eine ausgeglichene, reichhaltige Nahrung in der Wachstumsphase dieser großen Hunde sehr wichtig.

Ab 6 bis 7 Monaten muss jedoch darauf geachtet werden, dass sie nicht zu schnell zu groß und schwer werden, da dies Wachstumsstörungen verursachen kann. In dieser Phase sollten sie körperlich auch nicht zu sehr gefordert werden.

Der erwachsene Hund braucht relativ wenig Futter. Wie alle großen Hunde sind die Centralasiaten der Gefahr der Magendrehung ausgesetzt. Zweimal tägliches Füttern und Ruhe nach der Nahrungsaufnahme können dieses Risiko vermindern helfen.

Hündin Tina
Foto: Ronald Guldenschuh

Das Verbreitungsgebiet

Das traditionelle Verbreitungsgebiet des Centralasiaten ist riesig und umfasst praktisch alle Gebiete Centralasiens, überschreitet aber auch die Grenzen dieser Region: Vom westlichen Himalaja über das Pamir- und das Hindukusch-Gebirge in Tadschikistan und Afghanistan, bis zu den Ebenen Nordwest-Afghanistans und Süd-Turkmenistans, sowie den Nordwesten Irans. Er bewohnt auch die kasachischen Steppen, Usbekistan und Kirgisien.

Typen

Natürlich entspricht eine auf ein so riesiges Gebiet verteilte Rasse in keiner Weise unseren engen Vorstellungen einer homogenen Population.

Auf den ersten Blick scheint es fast etwas gewagt, von einer einheitlichen Rasse zu sprechen. Eigentlich handelt es sich eher um eine übergeordnete Rassendefinition, wie zum Beispiel die der nordischen Hunde. Es sind auch vereinzelte Anstrengungen im Gange, lokale Schläge als Rasse anerkennen zu lassen.

Bei näherer Betrachtung erkennt man aber, dass der Vergleich mit den nordischen Hunden nur bedingt möglich ist. Bei diesen sind sich die einzelnen Rassen zwar äußerlich ähnlich, aber in ihrer Funktion und ihren Fähigkeiten teilweise sehr spezialisiert. Die Centralasiaten bleiben trotz aller Unterschiede zwischen den lokalen Typen immer vorwiegend Hirtenhunde mit starken äußeren und inneren Gemeinsamkeiten.

Der FCI-Standard für die Centralasiaten basiert auf dem russischen Standard, obwohl es sich ja nicht eigentlich um eine russische Rasse handelt. Es gibt aber in den wirklichen Herkunftsländern noch keine offiziellen Rassenklubs in unserem Sinne. Der Standard ist aber glücklicherweise großzügig genug formuliert um (fast) alle Typen zu erfassen. Es sind alle Farben und Farbkombinationen erlaubt und der Spielraum in Sachen Schulterhöhe ist realistisch groß.

Die lokalen Schläge sind wie gesagt vielfältig und die Informationen darüber spärlich. Beim jetzigen, beschränkten Wissensstand muss man gezwungenermaßen eine Vereinfachung wagen. Danach kann man die Untertypen nach folgenden Kriterien unterscheiden:

- nach Klimazonen,

- nach Verwendungszweck,

- nach großräumigen Herkunftsgebieten.

Diese Unterscheidungen müssen immer relativiert werden, denn man darf nicht übersehen, dass diese Tiere hauptsächlich Nomaden- und Karawanenhunde waren und zum Teil heute noch sind, weshalb diese "Wächter der Seidenstrasse" untereinander - trotz der großen Distanzen und trotz der Landesgrenzen - immer wieder in Kontakt waren. So gibt es z. B. Bergstämme, die sich zeitweise in Steppen aufhalten, oder in Turkmenistan Nomaden, die ursprünglich aus Tadschikistan stammen etc.

In neuerer Zeit wurden vielerorts die Typen planlos durcheinandergekreuzt. Diese Entwicklung ist wohl vorwiegend im Wegfallen der ursprünglichen Aufgaben der Tiere, insbesondere in den Städten, begründet.

Untertypen nach Klimazonen

Wüsten-Oasen-Typ: Extrem kurzhaarig, hochbeinig, rechteckiger Körperbau mit weitausgreifendem, federndem Gang. Gewicht: leicht bis mittelschwer, je nach Verwendungszweck.

Steppen-Typ: wie Wüsten-Typ mit leicht längerem Fell.

Berg-Typ: Fell kurz bis mittellang, in seltenen Fällen auch lang, Körperbau gedrungen, eher quadratisch, stark gewinkelte Hinterläufe für kräftigen, ausdauernden Schub. Gewicht: schwer bis sehr schwer.

Alle Typen haben eine sehr feine und dichte Unterwolle zum Schutz vor Kälte, da die Nächte nicht nur im Gebirge, sondern auch in der Wüste empfindlich kalt sein können. Das Haar soll nicht gewellt oder gelockt sein. Das Deckhaar ist auf dem Rücken etwas länger, um das Regenwasser ablaufen zu lassen.

Maik mit der Hündin Nayma
Foto: Hartmut Deckert

Untertypen nach Verwendungszweck

"Herdenschutzhunde": im leichten bis mittelschweren, rechteckigen Typ. Die Hirtenvölker Centralasiens sind Nomaden, deren Hunde seit Jahrtausenden die Kamele, Rinder, Yaks, Esel, Ziegen und Schafe ihrer Besitzer vor Raubtieren und Viehdieben schützen und auf den langen Wanderungen zu immer neuen, kargen Weidegründen zusammenhalten. Wie die meisten Hirtenhunderassen sind sie wehrhaft und intelligent und selbständiges Entscheiden und Eingreifen gewohnt. Ihre Herdenschutzhundefunktion ist noch nicht völlig spezialisiert, die meisten Tiere haben durchaus noch Treibhundinstinkte. Centralasiaten werden für die Bewachung aller Haus- und Nutztiere eingesetzt, aber auch als Hüte oder Treibhunde

Die besonders rauhe Natur ihrer Heimat und die großen Strecken, die sie zurücklegen müssen, haben ihnen einmalige athletische Fähigkeiten, Ausdauer und Widerstandskraft verliehen. Ihre Gänge gleichen mehr denjenigen eines Vollblutpferdes, als dem oft müden Gehumpel ihrer überzüchteten westlichen Nachfahren. Als Karawanenhunde haben sie aber auch gelernt sich an neue, unbekannte Situationen und Menschen anzupassen. Dies macht sie im allgemeinen Menschen gegenüber umgänglicher als ihre meist festansässigen Vettern aus dem Himalaja und dem Kaukasus.

Wachhunde: im schweren, molossoiden Typ. In den wenigen landwirtschaftlich privilegierten Gegenden, wo fruchtbare Böden und Bewässerungsmöglichkeiten Ackerbau und stationäre Viehzucht ermöglichen, haben die sesshaften Bauern schwere, weniger mobile, aber umso eindrücklichere Wach- und Schutzhunde gezogen.

Kampfhunde: eher kurzhaarig, sehr quadratisch und daher wendig, mittelgroß (65-75 cm), mittelschwer. Die Winkelungen der hinteren Extremitäten sind oft sehr steil, zwecks größerer Standfestigkeit beim Zurückstoßen des Gegners.

Es soll hier in keiner Weise der Hundekampf propagiert werden, sondern nur seine historische Rolle bei der Entwicklung dieser Rasse aufgezeigt sein, denn es wäre sinnlos, diesen Aspekt unterschlagen zu wollen. In Europa ist der Hundekampf mit allen Mitteln zu unterbinden.

Leider hat sich heutzutage, insbesondere auch in Russland, der Hundekampf als mafioses Wettgeschäft etabliert, bei dem es um viel Geld geht. Dies natürlich mit katastrophalen Folgen für die Hunde.

Centralasiaten sind Hirtenhunde, die aus historischen und kulturellen Gründen in ihren Ursprungsländern für Hundekämpfe eingesetzt werden. In der Geschichte Centralasiens wurden Hundekämpfe auch als Mittel dazu verwendet, kriegerische Konflikte um Herrschaftsansprüche zweier Klans innerhalb des selben Stammes oder auch zwischen verfeindeten Stämmen zu vermeiden, indem ausgewählte Kampfhunde stellvertretend für die Menschen den Kampf austrugen und der Ausgang des Duells, einem Gottesurteil ähnlich, von den beteiligten Parteien anstandslos akzeptiert wurde.

Untertypen nach Herkunft

Centralasiaten gibt es in Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisien, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Iran, im Nordwesten Pakistans und Indiens, sowie in Russland. Ganz ähnliche Hunde findet man ebenfalls im Irak und in der Türkei. In neuerer Zeit wird die Rasse auch in Osteuropa gezüchtet. Einige wenige Exemplare haben den Weg nach Westeuropa und in die USA gefunden.

Es bestehen zwei eindeutige Zentren der traditionellen Zucht und in der heutigen Situation begnügt man sich meist gezwungenermaßen mit der Zuordnung zu einer der beiden Herkunfts- und Typenbezeichnungen, obwohl beide natürlich auch wiederum öfters untereinander gemischt sind. Es sind dies:

Im Osten: Das weitere Pamirgebiet, d. h. der Nordosten Afghanistans einschließlich des Hindukuschs und das südliche Tadschikistan. Der sogenannte Pamirhund ist wohl der ursprünglichste Typ des Centralasiaten. Er ist außerordentlich massiv gebaut und wahrscheinlich noch zäher und kraftvoller als die anderen Schläge. Er unterscheidet sich in einigen Punkten von den bekannteren Typen westlicheren Ursprungs. Seine Hinterläufe sind stark gewinkelt, was ihm zu größerer Schubkraft verhilft, besonders wichtig in zerklüftetem Gebirge. Diese Eigenschaft war wohl ursprünglich allen Centralasiaten eigen, hat sich hier aber am besten erhalten. Sein Fell kann länger sein als üblich, oder im Standard vorgesehen und die Schädeldecke ist manchmal leicht gewölbt statt flach.

Wie weit sein Bestand die Kriegswirren der letzten Jahrzehnte überstanden hat, ist momentan schwierig abzuschätzen. Auf jeden Fall dauert die historisch und geographisch begründete kulturelle und politische Isolation der Heimat des Pamirhunds an, welcher er seine Ursprünglichkeit verdankt. Durch diese Abgeschiedenheit konnten, in einem auch für diese Weltgegend einzigartigen Ausmaß, die traditionellen Werte und züchterischen Kenntnisse erhalten bleiben.

ca. 5 - 6 Wochen alte Welpen
Foto: Hartmut Deckert

Im Westen: Hier finden wir die interessantesten Hunde in der Region Nordwest-Afghanistan, Turkmenistan und Nordost-Iran. Die hier vorkommenden Typen haben meist den typisch flachen Schädel. Wie überall gibt es alle Farben, mit lokal dominierenden Schlägen. So sind zum Beispiel in Turkmenistan weiße Hunde mit hellrotbraunen Flecken und einem Rest von grauer Gesichtsmaske verbreitet. Ein schwerer lokaler Schlag wird hier unter dem Namen "Alabai" als Rasse aufgebaut. In Iran sind viele Tiere strohfarben. Sie werden heute auch in Russland sehr geschätzt, weil sie als besonders ursprünglich gelten.

Die Hunde aus Kasachstan, Kirgisien und Usbekistan sind kleiner und leichter als die obgenannten Typen.

Außerdem gibt es natürlich in den Grenzregionen von Usbekistan und Kirgisien mit Afghanistan, Tadschikistan oder auch Turkmenistan Tiere des gleichen Typs auf beiden Seiten der Grenze. Dazu kommt, dass die Hunde heute in all diesen Ländern als beliebte Handels- und Prestigeobjekte hin- und her verschoben werden.

Geschichte

Über die Frühgeschichte der Entwicklung der Hunderassen gibt es viele Theorien, aber wenig Gewissheiten.

Von der in Europa ursprünglich dominierenden These, dass alle großen Hirtenhunderassen vom Tibetischen "Do Khyi" abstammen, ist man heute weitgehend abgekommen.

Die weiteren Ausführungen zur Geschichte der Hirtenhunde von Ronald Guldenschuh decken sich mit dem Kapitel "Geschichte". Um eine Wiederholung zu vermeiden, siehe unter "Geschichte der Hirtenhunde".

Reinzucht

Die Idee, reinrassige Hunde zu züchten, stammt in Europa an sich bereits aus dem Mittelalter, betraf aber lange Zeit nur die vom Adel hochgeschätzten Jagdhunde. Auch bei diesen bezog sich aber die Vorstellung von Reinheit auf ihre Fähigkeiten und nicht auf ihr Äußeres.

Auf die Idee die gemeinen Arbeitshunde der einfachen Bauern zu vereinheitlichen kam man erst anfangs des 20. Jahrhunderts. Durch die damaligen Züchter wurde zweifellos eine erhebliche Veredelung des vorher recht durchmischten Hundebestands erreicht, gleichzeitig und bis zum heutigen Tage, wurde aber auch die genetische Vielfalt dramatisch eingeschränkt, insbesondere durch die, ästhetisch zwar verständliche, aber genetisch äußerst bedauerliche Beschränkung auf bestimmte Farbschläge. Diese Spezialisierung bedeutete eindeutig den Anfang vom Untergang der betroffenen Rassen, die ihren Höhepunkt im heutigen Wahn der Symmetrie und der zentimetergenau definierten Bemusterung erreicht hat, die wir bei den Bewertungskriterien gewisser Rassen finden. Das Resultat sind kurzlebige, kranke, wesensschwache Hunde, die ganz toll aussehen.

Die Züchter müssen umdenken und vermehrt die Gesundheit der von ihnen gezüchteten Hunde in den Vordergrund stellen. Es muss dem Hundezüchter zu denken geben, das es heute schon zahlreiche Biologen gibt, die der Meinung sind, das Zeitalter der reinen Rassen in der Haustierzucht sei vorbei.

Hunderassen sind altes Kulturgut und ebenso erhaltungswürdig. Wie irgendeine Skulptur, ein Gemälde oder ein Gebäude.

Lara
Eigentümer und Fotograf mir bekannt

Zuchtziel

Es sollen einerseits große und schwere Hunde gezogen werden, aber eben nur soweit es die Natur ohne Abstriche an ihrer Gesundheit und Leistungsfähigkeit erlaubt. Auf der anderen Seite werden jedoch auch die leichteren Arbeitshundetypen gefördert, in welchen die ursprünglichen Qualitäten dieser Rasse am besten erhalten sind. Man darf hier keinesfalls leicht mit schmächtig verwechseln. Diese beiden Grundtypen, die man vereinfachend Berg- und Steppentyp nennen kann, entsprechen überdies auch zwei deutlich getrennten Trends im Publikumsgeschmack. Dass sich diese züchterische Arbeit von der herkömmlichen Rassezucht, in der einfach nur noch versucht werden kann den Besitzstand zu wahren und den genetischen Kollaps noch etwas hinauszuschieben, grundlegend unterscheidet, versteht sich von selbst. Die Risiken sind zwar größer, die Belohnungen aber auch.

Die Lage außerhalb der Ursprungsländer

Russland und die GUS-Staaten

In der Geschichte der UdSSR, die mit Ausnahme Afghanistans alle zentralasiatischen Länder umfasste, wurden die Centralasiaten sich selbst überlassen, verwilderten und wurden in den 30er Jahren sogar für ihre Felle gejagt. Die wenigen Tiere, welche in Privatbesitz überlebten, wurden ohne Sachkenntnis vermehrt. Einzig einige große staatliche Viehzucht-Kooperativen züchteten sie für ihren ursprünglichen Verwendungszweck. Auch die Armee hat sich schließlich ihrer angenommen, mit manchmal zweifelhaften Resultaten. 

Inzwischen gibt es in Russland wieder ein paar seriöse Züchter und einige hervorragende Tiere. Die Blutlinien wurden zum Teil durch Rüden aus den Ursprungsländern aufgefrischt, die in den letzten Jahren importiert worden sind oder noch aus der Zeit der Besetzung Afghanistans stammen.

Bis auf wenige Ausnahmen, die bewusst mit Import-Linien arbeiten, wenden die Züchter hier die gleichen Prinzipien an wie in Westeuropa. So finden wir durchaus ausgesprochen schöne Tiere, die durch Linienzucht und Schönheitsselektion aber weitgehend ihre ursprüngliche Robustheit, Beweglichkeit, Ausdauer usw. verloren haben. Der Hang zum Gigantismus hat auch schon sein Unwesen getrieben. So rühmen sich manche Züchter lauter 100-kg-Hunde zu besitzen. Dazu haben die Russen eine Vorliebe für überbreite Brustpartien, Stil Bullmastiff, was den Bewegungsablauf der Zentralasiaten völlig durcheinander bringt, da die Ellbogen nach außen gedrückt werden. Sehr verbreitet sind Individuen mit beachtlichen Köpfen, Typ und Ausstrahlung, aber schwächlicher, steifer, steiler Hinterhand, wie das auch bei vielen, in Westeuropa beliebten, großen Hunden der Fall ist.

Weiter werden die Hüften der Hunde prinzipiell nicht geröntgt. Der Import von Hunden aus Russland wird so zum "russischen Roulette" und diese zähen Arbeitshunde zu einer beliebigen Rasse, bei der, wie gehabt, Größe, Masse und Stammbaum mehr zählen als Gänge, Wesen und Instinkt.

In vielen Fällen verkommen heute die Hunde im Überlebenskampf der Bevölkerung zur hilflosen Ware. Die Tiere werden meist miserabel gefüttert und gehalten (oft in Kellern und kleinen Etagenwohnungen in den Städten), die Hündinnen bei jeder Hitze mit irgendwelchen Rüden belegt, oder umgekehrt, die paar guten Rüden mit ungeeigneten Hündinnen eingesetzt.

Manche Linien sind inzwischen so schmächtig, dass immer wieder versucht wird mit Einkreuzungen von Bernhardinern oder Neufundländern, neuerdings auch Cane Corso und ähnlichen Rassen, größere, kräftigere Welpen, resp. Hunde zu produzieren.

Damit wird in Kauf genommen, eine jahrtausende alte Rasse in wenigen Jahren zu zerstören und die vielfältigen, vererbbaren Degenerationskrankheiten dieser völlig kaputten, westlichen Rassen auf eine der zähesten und gesündesten Hunderassen zu übertragen.

In den osteuropäischen Ländern bietet sich ein ähnlich trauriges Bild, aber auch hier finden sich gute Züchter. Es ist zu hoffen, dass sie sich durchsetzen können. Die meisten dieser Länder sind heute im FCI und können hochoffizielle Papiere liefern. Für die echten, ursprünglichen Centralasiaten gibt es diese Möglichkeit meist nicht. So haben wir bei dieser Rasse die seltsame Situation, dass Hunde aus den Ursprungsländern ohne offizielle Papiere züchterisch wesentlich wertvoller und interessanter sein können, als solche aus den Vermehrerländern mit erstklassigen Papieren. Damit wird in Kauf genommen, eine Jahrtausende alte Rasse in wenigen Jahren zu zerstören und die vielfältigen, vererbbaren Degenerationskrankheiten dieser völlig kaputten, westlichen Rassen auf eine der zähesten und gesündesten Hunderassen zu beitragen.

Schattenseiten oder "der real existierende Centralasiat"

Den idealen Hund gibt es (immer noch) nicht und so haben auch die Centralasiaten ihre Schwächen. Diese einzigartige Rasse unterscheidet sich von den üblicheren, durchgezüchteteren durch ihre große genetische Basis, deren unerhörtes Potential uns bei jeder Anpaarung Überraschungen verspricht, oft positive, aber manchmal eben auch negative. Jeder, der einen Welpen ersteht, sollte sich bewusst sein, dass er an einem Experiment teilnimmt bei dem der Ausgang, mehr als bei anderen Rassen üblich, recht offen ist.

Jamila im Alter von 8,5 Jahren
Foto: Ronald Guldenschuh

Das Positive daran ist, dass, gerade bei der Verbindung von sehr entfernten Linien, manchmal schon fast ausgestorben geglaubte Züge und Qualitäten wieder auftauchen können. Auf der anderen Seite werden heute bei Importhunden in den meisten Fällen die bekannten Väter hervorgehoben, über die Mütter ist hingegen mehrheitlich kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Praktisch heißt dies, dass in allen Linien zwar einige bis viele gute, aber eben immer auch diverse negative Erbfaktoren vorhanden sind. Diese negativen Faktoren können sich auf ganz unterschiedliche Art manifestieren. Im vorliegenden Text ist bereits wiederholt auf verschiedene, mehr oder weniger häufig auftretende Schwächen dieser Rasse eingegangen worden. Hier sollen nun die wichtigsten, einschließlich ein paar bisher unerwähnter, noch einmal aufgezählt und wo nötig ausführlicher beschrieben werden.

Verhaltensstörungen

Ängstliche Hunde: Wie bereits erwähnt, ist der Charakter natürlich ganz wesentlich von der Erziehung, dem Umfeld und dem Alter abhängig und es ist sehr schwierig zu entscheiden, wie viel davon ererbt ist. Tatsache ist, dass es eine verhältnismäßig große Zahl misstrauisch bis ängstlicher Centralasiaten jeder Herkunft gibt (wie bei allen vergleichbaren Rassen auch).

Dieser Faktor ist aber aus verschiedenen Gründen nicht einfach zu beurteilen. Zuerst ist es schon einmal nicht einfach, zwischen zurückhaltend, misstrauisch und ängstlich zu unterscheiden. Misstrauen und Zurückhaltung gegenüber Fremden sind bei einer Wachhunderasse klar erwünscht. Es muss auch betont sein, dass sich diese Haltung, wie auch die Ängstlichkeit, immer nur auf Menschen bezieht. Gegenüber Raubtieren und anderen Hunden ist die Wehrhaftigkeit durchwegs gewährleistet.

Aggressive Hunde: Hier handelt es sich vorwiegend um ungenügend sozialisierte, böswillig scharfgemachte oder auch traumatisierte Tiere. Insbesondere in Russland und Osteuropa wird oft von den Centralasiaten erwartet, dass sie sich kompromisslos aggressiv verhalten. Wie jeder Hundefreund weiß, kann man alle Hunde scharf machen. Den Centralasiaten sicher mit nachhaltigem Erfolg. Der Vorteil dieser Art Haltung liegt darin, dass das Tier sich nicht mit Zweifeln herumschlagen muss. Die Konflikte hat dann wohl eher der Besitzer auszutragen.

Wie bei der Ängstlichkeit des Hundes gibt es auch hier ganz unterschiedliche Stufen und Arten von Aggression. Die Kynologen unterscheiden zwischen 10 Aggressionsformen. Praktisch ist vor allem natürlich Aggressivität gegenüber Menschen von Aggression gegenüber Hunden zu differenzieren. Zwar lassen sich die meisten Kategorien von Aggression auf beide Fälle anwenden, die Mehrzahl der aggressiven Hunde ist jedoch entweder eher auf Menschen oder auf Hunde scharf.

Zusammenfassend gesehen gibt es verschiedene Formen von Dominanz- oder Rivalitätsaggressionen, angst- oder schmerzbedingte Aggression, und Aggression als Folge des Jagd- oder des mütterlichen Schutzinstinkts. Dazu kommen erlernte Aggression und krankhafte Aggression. Das Verständnis für das Wesen des Hundes, d. h. das Erkennen der Ursachen des aggressiven Verhaltens ist die erste Voraussetzung zu seiner Kontrolle. Die zweite Voraussetzung ist Vertrauen, enger Kontakt und, wie schon oft betont, eine klare Rangordnung und eindeutige Befehle. Hunde kennen keine Gleichstellung, nur über und untergeordnete Rangbeziehungen.

Hüften und Ellbogen

Hüft- und Ellbogendysplasie sind bei den ursprüngliche Arbeitslinien praktisch unbekannt, da derart geschwächte Hunde in den Ursprungsländern nicht überleben würden. Bei den russisch-osteuropäischen Linien ist jedoch erhebliche Vorsicht angebracht. Außerdem können diese Symptome auch durch äußere Einflüsse (Ernährung, Aufzucht) entstehen oder stark beeinflusst werden. Patella-Luxationen scheinen hingegen bisher nicht aufzutreten.

Winkelungen

Wie mehrfach erwähnt, hat der ursprüngliche Centralasiat ausgeprägte, harmonische Winkelungen (d. h. Beine die an den Gelenken weder zu offene noch zu geschlossene Winkel bilden) an den kräftigen, gut proportionierten hinteren Extremitäten. welche seine Leistungsfähigkeit fördern. Leider gibt es aber inzwischen, hauptsächlich außerhalb der Ursprungsländer, so viele Tiere mit steiler, steifer, schwächlicher, manchmal direkt missgebildeter Hinterhand, dass diese Fehlentwicklung mancherorts bereits als rassentypisch angesehen wird.

Augen

In vielen Linien sind leider Entropion, resp. Ektropion (eingerollte oder hängende Augenlieder) mehr oder weniger verbreitet. Offenbar ist dies bei den molossoideren Typen am häufigsten der Fall.

Diese Mängel kann man beim Welpen oft noch nicht erkennen. Das wirkliche Ausmaß kann in jedem Fall erst beim einigermaßen ausgewachsenen Hund festgestellt werden, da sich mit dem Wachstum des Schädels, das sehr lange andauert, der Zustand oft noch wesentlich verbessern oder manchmal auch verschlechtern kann. Mit frühestens 18 Monaten kann ein vergleichsweise einfacher Eingriff Abhilfe schaffen. Diese Mängel sind ärgerlich und wohl auf Gleichgültigkeit der Züchter in den Herkunftsländern gegenüber diesen, mehr das Wohlbefinden des Hundes als dessen Einsatzfähigkeit beeinträchtigenden, erblichen Eigenschaften zurückzuführen.

Herzrhythmus- und Schilddrüsenstörungen

Beide Fehlfunktionen kann man auch bei dieser Rasse, hauptsächlich bei Rüden (bis zu 80% der betroffenen Tiere), hin und wieder antreffen. Während die Herzprobleme eindeutig eine Folge des Gigantismus sind oder manchmal auch als Spätfolge von Parvovirose-Infektionen entstehen können, kennt man bei den Schilddrüsenstörungen die Ursache nicht. Es ist auch nicht klar ob sie erblich bedingt sind.

Rüde Shaban
Foto: Ronald Guldenschuh

Pfoten

Man unterscheidet zwischen den kompakten, widerstandsfähigen sog. "Katzenpfoten" und den unerwünschten aber immer verbreiteteren, empfindlichen "Hasenpfoten" mit mehr oder weniger gespreizten Zehen.

Lefzen

Gut schließende Lefzen werden bevorzugt, nicht zuletzt weil Hängelefzen zu übertriebenem Speichelverlust führen. Auch hier gilt, je molossoider desto hängender. Es sollte unbedingt versucht werden, dieser Tendenz entgegenzuwirken und satt schließende Lippen zu fördern.

Pigmentierung

Der Schwarzfärbung des Nasenschwammes und der Augenliederränder wird verständlicherweise nicht soviel Gewicht zugemessen wie bei rein weißen Rassen. Wie im Steckbrief vermerkt, werden bei hellen Hunden schwächer pigmentierte Nasen toleriert. Es sind Anstrengungen im Gange, dies zu ändern, was die genetische Grundlage dieser Rasse unvernünftig einengen würde. Obwohl helle Nasen eindeutig nicht sehr ästhetisch sind, ist dies bei einer im allgemeinen stark pigmentierten Rasse nun wirklich ein sekundäres Selektionskriterium.

Zähne

In Russland wird diskutiert, neben dem vorgeschriebenen Scherengebiss, auch das Zangengebiss in den Standard aufzunehmen, was der Sanktionierung eines Inzuchtschadens gleichkommen würde.

Fell

Sowohl in Zentralasien als auch in Russland werden mehr und mehr die kurzhaarigen Typen bevorzugt. Der Grund dafür liegt offenbar darin, dass sich diese besser für Hundekämpfe eignen.

Polemik

Es ist ein erklärtes Anliegen dieser Schrift, engagiert und so objektiv wie möglich, wenn auch mit einer gehörigen Portion Begeisterung, über die Rasse zu berichten. Es soll hier nichts unterschlagen oder beschönigt sein. Dies ist offenbar in der heutigen Hundezüchterwelt ein fast schon selbstmörderisches Unterfangen, da es wohl schwer fallen dürfte, außer vielleicht bei den Pferdeleuten, ein Milieu zu finden, dass so sehr von Intrigen, übler Nachrede, Eifersucht, kurzsichtigem Kommerz und bodenloser Dummheit gekennzeichnet ist (neben den vielen lobenswerten, opferbereiten Aktiven selbstverständlich). Offenbar ziehen besonders große, wehrhafte Hunde auch immer einen gehörigen Prozentsatz Psychopathen an.

Jedenfalls ist es in diesem eigenartigen Universum absolut Tabu, über die Probleme einer Rasse zu sprechen. Die unmittelbare und heute dank Internet weltweite Reaktion ist, dass den Tieren aus der Zucht des Ketzers, der sich anders als mit heuchlerischen Werbeslogans auszudrücken wagt, alle erwähnten Fehler angehängt werden, während die Hunde der sich in "omert", mafiosem Stillschweigen, üben den Gläubigen davon wunderbarerweise erlöst sind.

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Anmerkungen an Stelle eines Vorwortes:

Im Sommer 2001, an einem heißen Augusttag, lernte ich die Hunde des Horni Hofes kennen. Sie, aber natürlich auch Ronald Guldenschuh haben mir eine Tür aufgemacht, die ich bis dahin nicht so kannte. Immerhin bin ich ein kleines Stück in die Welt der Centralasiaten hinein gegangen und es war spannend.

Hartmut Deckert

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